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Ich habe noch 100 Worte über…- Kurzrezensionen zu Kurzfilmen des 29. Filmfest Dresden

 

Frei nach dem Zitat „Entschuldigung, ich nehme mir einfach mal die Zeit, mich ausschweifend kurz zu fassen.“ entsteht hier eine Review-Revue zu Kurzfilmen des 29. Filmfest Dresden. Nein, philosophischer Quatsch. Die Wortanzahl wurde zum 1.April gesetzlich-literarisch reglementiert. So stehen Kurzrezensionen nach neuster Definition nur noch 100 Worte zu. Und der Übrigkeit ist Folge zu leisten.

 

Limbo – Regie: Konstantina Kotzamani. Frankreich/Griechenland. 2016.

Zwölf Jungen, ein Walkadaver und ein mysteriöser, weißer Junge. Eine dystopische Kulisse aus Wasser, Schlamm, Gras und Pfahlhäusern. Bläulich-düstere Farbgebung. Nebel. Einstellungen konstruiert wie Gemälde. Nahaufnahmen ausdrucksstarker Gesichter. Verlorenheit erzeugt durch einsam positionierte Kinder und Landschaften am unteren Bildkader. Wenig Worte, viel Unbehagen. Flüstern. Raunen. Ängstliche Blicke in die Ferne, vorbei am Zuschauer. Ziehender Sound. Spärliche Requisiten. Keine Erwachsenen. Keine Mädchen. Marienverehrung und Glaube. Ist der weiße Junge tot oder lebendig? Kann er die Jungen zum geheimnsivollen, verwesenden Wal führen? Ein Film, der atmosphärisch fesselt und sowohl dramaturgisch, schauspielerisch als auch kamera- und soundtechnisch fasziniert. Für Fans mysthisch, bildgewaltiger Geschichten.

 

 

 

Elisa – Regie: Kristina Kean Shtubert. Deutschland. 2016.

Ein zartes, blondes Mädchen, eine zarte, blonde Mutter. Liebevoll. Verspielt. Abrupt: „Hast du gekratzt?“ – „Das war nicht ich!“ Eine harte blonde Mutter. Unterbrochene Liebe. Ein Vertrauensbruch. Gegenseitig. Elisa soll es lassen. Elisa will die Mutter nicht lassen. Ab ins Bett. Schlafenszeit. Tür zu. Fesseln gegen den Kratzkampf. Gedanklich und physisch. Doch im Kratztraum taucht Elisas Gegenspielzwilling wieder auf, erstickt Elisas Ängste. Ein zartes, blondes, braves Mädchen und eine zarte, blonde, zufriedene Mutter verlassen die Wohnung am nächsten Morgen. Elisa bleibt zurück. Zurück mit ihren Problemen. Pastellfarbene, reine Kulissen treffen auf dunkle, psychische Belastungen. Kaum Worte. Viele Fragen. Gänsehaut pur.

 

 

 

Freibadsinfonie – Regie: Sinje Köhler. Deutschland. 2016.

Das Freibad. Filmsinfonie in einem Satz. Form: Parallelmontage. Tempo: entspannt. Tonart: klassisch-harmonisch bis modern-sprunghaft. In den Leitmotiven: Vater und Sohn als Festigung-der-Beziehung-durch-ein-mehr-oder-weniger-gemeinsames-Erlebnis. Mädelsclique und Jungsclique als Wirren-der-spontanen-Kurzzeitliebe-im-Smartphonezeitalter. Zwei studentische Freundinnen als notwendiger Tratsch. Eine neugierige Bankbekanntschaft als penetrante und doch charmante Störung. Und ein Stammkunde als unersetzlicher Kontrollfreak und Hassliebe des Bademeisters. Melodisch begleitet von Freibadsound (Juchzen, Schreien, Planschen, Glucksen). Das Gewitter in der Rolle des erfrischenden Endes. Momentaufnahmen des Freibadalltags, die zum Schmunzeln anregen. Gefilmt in nostalgisch-melancholischem Schwarz-Weiß-Kontrast. Geistreiche Dialoge und eine gute Portion Situationskomik.

 

 

 

Import – Regie: Ena Sendijarevic. Niederlande. 2016.

Eine bosnische Familie in einem niederländischen Dorf. Der Vater richtet die Satellitenschüssel ein. Er versucht es. Dem hilfsbereiten Nachbarn gelingt es. Die Mutter putzt im Krankenhaus. Kümmert sich nebenbei um Patienten. Belebt einen wieder. Die Eltern: verhalten, unsicher. Die Kinder: ausgelassen, neugierig. Bis sie dem Zigeunerjungen auf dem Spielplatz keinen Keks geben wollen. Gerangel. Böse Blicke der anderen Kinder: „Verpisst euch in euer eigenes Land.“ Im Fernsehen: Bilder vom Krieg und Zeichentrick. Abends eine aufbauende Umarmung. Ein Film vom mühsamen Ankommen in einer fremden Umgebung. Ausdrucksstarke, überlange Einstellungen im 4:3 Format mit viel Luftraum – atmosphärische Unsicherheit, Zweifel. Kunstfilmcharakter. Beeindruckend.

 

 

 

Painting with History in a Room Filled with People with Funny Names 3 – Regie: Korakrit Arunanondchai. Thailand. 2015.

Goldener Reiter Kurzspielfilm – Internationaler Wettbewerb. Die Jury ist beeindruckt. Ich auch. Allerdings eher von den unterschiedlichen ästhetischen Wahrnehmungen. Rekonstruktion meiner Erinnerungen: Farbbekleckste Körper. Rap. Bangkok. Jeansjacken. Naturaufnahmen wie aus Reisewerbespots für spirituelle Kurzreisen. Direkte Kamerablicke. Weiche Slowmotion. Rap. Chaos. Suche den roten Faden. Finde ihn nicht. Asiatische Sprecherstimmen. Skylines. Jeeps. Wie ein Dokutrailer. Exotische Landschaften. Jeansjacken. Ich sehne das Filmende herbei. Klangspiritualität. Jeansjacken. Ungeduld. Denimrap. Ende. Ich: erleichtert. Meine Sitznachbarn: begeistert. Fazit: 1. Expanded cinema ist wohl nicht so meins. 2. Ich war vielleicht nicht in der richtigen mood für dieses Kunstwerk? 3. Die Programmzusammenstellung ist künstlerisch sehr ausgewogen.

 

 

 

Text: Birte Gemperlein

Fotos: © FILMFEST DRESDEN

 

 

 

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Film

Tierisch bunt! – Die Kids-Programme beim 29. Filmfest Dresden

Noch bis Sonntag können im Rahmen des 29. Filmfest Dresden an verschiedenen Kinoorten aktuelle internationale Kurzfilme angeschaut werden. Von animiert-absurd bis fiktiv-tiefgründig ist im diesjährigen Programm alles enthalten.

„Ja, das war sehr lustig!“

Auch für die jüngsten Besucher wurde wieder einmal ein buntes, kurzweiliges Kids-Programm zusammengestellt. Wer live dabei ist, bekommt nicht nur hochwertige bewegte Bilder serviert, sondern auch noch eine Schippe Authentizität. Die unmittelbaren Reaktionen der jungen Besucher, insbesondere der 5- bis 8-Jährigen, verleihen den Filmen nochmals eine ehrwürdige Extraprise an ehrlichem Esprit. Seien es geflüsterte Fragen („Hat der Junge keine Mama?“), laute Kommentare („Ja, das war sehr lustig!“) oder selbstbewusste Antworten auf Publikumsfragen („Wer von euch war denn schonmal beim Filmfest in den letzten Jahren?“ Die ersten Hände schnellen hoch. Ein Kind schreit vollkommen überzeugt: „Niemand!“)

Kleinste Neugier trifft größten Ansporn

Das Programm Kids 1 richtet sich an Kindergartenendspurtler sowie Erst- und Zweitklässler, Kids 2 soll die älteren Grundschulhasen sowie -absolventen ansprechen und Kids 3 ist für die großen Vorteenies gedacht. Thematisch orientieren sich die Filme an den Herausforderungen und Lebensumständen dieser Altersgruppen. So werden im Kids 1-Programm Neugier, Mitgefühl und Freundschaft spielerisch behandelt. Kids 2 erzählt von Mut, Tatendrang und Einfallsreichtum. Kids 3 geht mehr in die Tiefe und vermittelt Durchhaltevermögen und Selbstbewusstsein für die Umsetzung seiner Ziele und Träume.

Schere, Stein…Äh, – Fiktional, Animation, Papier

Während sich im Kids 1-Programm alles ausschließlich um animierte Tierbegegnungen dreht (Legetrick, digitale Animation sowie Mischform), liegt im Kids 2-Programm der Fokus auf fiktiven Geschichten abseits der hierzulande bekannten Lebenswelten. Auch im Kids 3-Programm werden fiktive Filmtechniken den computeranimierten vorgezogen, um sowohl ferne als auch hautnahe Situationen wiederzugeben.

Fazit

Altersgerechte Thematiken, abwechslungsreiche Techniken, atmosphärische Präsentationen. Schnell noch hingehen. Auch ohne Kinder. Altersempfehlungen sind schließlich nur Empfehlungen. Und außerdem regnet’s.

Hier findet ihr die Vorstellungstermine und Veranstaltungsorte:

 

Text: Birte Gemperlein

Fotos: © FILMFEST DRESDEN

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Allgemein

Kulturgeflüster kuratiert: Unser Favouritenvideo für Kulturhighlights im April

Wir haben uns ein neues Format ausgedacht. Im Favouritenvideo möchten wir unter dem Motto: „Kulturgeflüster kuratiert“ euch monatlich unsere Lieblingsveranstaltungen vorstellen. Hier unsere Ideen für den April

 

Alle Veranstaltungen im Video:
Filmfest Dresden
Termine: 4. – 9. April
Tickets: Einzelticket: 7,50€ (ermäßigt 5€) , 5er Ticket für 30€
Tipp: Kurzfilmprogramm Open Air auf dem Neumarkt

Deportation Cast im theater junge generation
Termine: 8. April 19.30 Uhr, 9.April 11 Uhr und 19.30 Uhr, 12.April 11 Uhr
Tickets: 12€, ermäßigt 6€

Film: Die Andere Seite der Hoffnung:
Termine: Schauburg oder Kino in der Fabrik
Hier gehts zum Trailer!

Dance Transit in Hellerau
Termine: 21. – 29. April
Tickets: zwischen 6€ und 15€
Tanzworkshop mit Peter Savel, Teilnahme ksotenlos, Anmeldung erfordelich

Kunsttage im Sektor
T
ermine: 21. – 23. April
Tickets: Kunstaustellung frei, Samstag zwischen 9 und 15€, Sonntag 10-12€

GRIM und Janda im Kukulida e.V.
Termin: 7. April, 20.30 Uhr

FIL BO RIVA in der Groovestation
Termin: 23. April, 20 Uhr
Tickets: 15€ VVK
Sarah Lesch im Jazzclub Tonne
T
ermin: 26. April, 20 Uhr
Tickets: AUSVERKAUFT (Neuer Dresden Termin: Sarah Lesch am 09. März 2018 im Beatpol)

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Tanz und Theater Theater

Mordende Blumenkinder im Festspielhaus Hellerau – „The Manson Family” von John Moran

Ja, jeder kennt sie: Die Faszination des Grauens. Vielleicht ist deswegen die Besucherschlange an der Abendkasse so lang? Einst ein erfolgloser, US-amerikanischer Musiker, hat Charles Manson letztendlich Kultstatus erlangt. Künstler tragen seinen Namen und singen über ihn. Filme stellen das Leben und die mörderischen Taten von Manson und seiner (hauptsächlich weiblichen) Anhänger dar. Ebenso die Oper „The Manson Family”, deren Neufassung im Festspielhaus Hellerau gezeigt wurde.

Die Beatles als apokalyptische Reiter

Im August 1969 tötete die Manson Family sieben Menschen der High Society auf brutale Weise, unter anderem Roman Polanskis Frau Sharon Tate. Anlass dazu gab Mansons eigensinnige, auf Rassismus beruhende Interpretation des Beatles-Songs „Helter Skelter” – zu Deutsch Holterdipolter. Seine apokalyptische Vorstellung: Der Beginn eines Rassenkrieges zwischen Afroamerikanern und Weißen im Jahr 1969 und der Genozid an Schwarzen sowie Weißen der reichen Oberschicht. Unfreiwillig symbolisierten die Beatles so die apokalyptischen Reiter der rassistischen Mordserie der Sekte.

Massenmedien treffen auf Massenmorde

Noch nicht mal am Platz angekommen, sticht dieser riesige, überdimensionale Röhrenfernseher ins Auge. Treppen führen links und rechts an ihm empor, so dass auf dem Apparat eine weitere Bühne entsteht. Direkt hinter dieser Bühne hängt eine weiße Leinwand. Ein Stuhl, wie er auch in einem Gerichtssaal stehen könnte, befindet sich rechts vor dem Fernsehgerät. Massenmedien treffen auf Massenmorde.

 

Im Switchmodus durch den Theaterabend

Die Oper beginnt und nimmt die Zuschauer mit auf eine kurzweilige Reise durch Fragmente der Populärkultur der 1960er Jahre. Ein Theaterbesuch wie ein Fernsehabend im Switchmodus. Über die Leinwand sind wir auf einem Highway unterwegs, auf der TV-Bühne spielt Manson-Mitglied Leslie Van Houten auf ihrer Violine einstimmig zum Hintergrundsound, Sirenen flackern über die Leinwand und durch die Zuschauerränge, im TV wird durch das Programm gezappt – von einer Rede Martin Luther Kings zu einer Musikshow zu Knetfiguren, zurück zu Martin Luther King, weiter zu einem Western, dann ein bisschen Zeichentrick, zurück zur Musikshow, wieder zu Martin Luther King. Staatsanwalt Vincent Bugliosi führt in direkter Publikumsansprache beinahe ausnahmslos auf Englisch (so wie der Prozess auch im Original war) durch’s Programm – Moment, natürlich durch die Anklage. „ I just opened the cases and look what I release.“ Es folgt die Veröffentlichung begangener Morde der Manson Family und deren Hintergründe (Akt 1), Einblick in die labilen Persönlichkeiten der Mitglieder Susan Atkins, Lynette Alice Fromme sowie Charles Manson (Akt 2) und Ausschnitte aus den abschließenden Gerichtsverhandlungen (Akt 3).

Psychedelischer Wahnwitz

In den Kostümen und der schauspielerischen Leistung spiegelt sich der Wahnwitz wieder. Ein Kontrast zwischen tanzenden Menschen in Hippie-Klamotten und rasenden Gestalten in Gefängniskluft. Die fanatischen Sektenmitglieder werden dargestellt durch John Moran (Charles Manson), der das Stück zugleich inszeniert hat, Inez Schaefer (Lynette Alice Fromme), Constanze Friedel (Leslie Van Houten), Jule Oeft (Susan Atkins). Tobias Herzz Hallbauer spielt den Anwalt Vincent Bugliosi. Zusammen verkörpern sie mit Bass, Leadgitarre, Zweitgitarre sowie imaginärem Schlagzeug zudem die Beatles.
Auch wenn alle Schauspieler mit ihren Darbietungen überzeugen können, ist in diesem Zusammenhang insbesondere Jule Oeft hervorzuheben. Ihre Darstellung im blutigen Kleid lässt keinen Zweifel an einer psychischen Störung von Susan Atkins. Durch die immergleiche Wiederholung von einzelnen Szenen intensiviert sich dieser Eindruck. Es ist wie das Zurückspulen und Abspielen einer Filmszene, an der sich der sensationsgierige Zuschauer nicht sattsehen kann. Die Schauspieler verschmelzen mit ihren Rollen. Sie passen ihre Bewegungen und Kostüme sogar an die Originale der Manson Family an, welche zeitgleich in den Dokumentationsausschnitten zu sehen sind. Die Trennlinie zwischen Realität und Fiktion verwischt. Schade ist, dass Leslie Van Houten-Darstellerin Constanze Friedel etwas untergeht, da sie nur am Rande erscheint. Welche Rolle spielt sie? Manson Family-Mitglied Leslie oder Livemusikerin Constanze?

 

Treibende Stimmung

Passend zu diesem ganzen Wahnsinn, gibt die Kombination aus Licht, Musik und Sound ein gutes Zusammenspiel ab. Die Live-Geigenmusik ist gut auf die Hintergrundmusik abgestimmt. Die Bässe sind voll und einnehmend, dazu Stroboskoplicht und klarer, engelsgleicher Gesang. Irrsinn trifft auf Schönheit. Eine unheimliche, agressive und treibende Stimmung entsteht. Auf der Leinwand bunte Muster und Farben – ein Zustand der Trance und des Drogenrausches.

Popkultur der 1960er

Geschickt wurden Elemente der Popkultur der 1960er Jahre sowohl intertextuell als auch transmedial in die Inszenierung aufgenommen. Zum einen wurden musikalische Referenzen zu den Beatles integriert, was sich inhaltlich zweifellos auf Mansons Verehrung der Band bezieht, jedoch ebenfalls als transmediale Verknüpfung zu neuartigen Phänomenen wie der Beatlemania, Boygroups, Massenkonzerten, Liveübertragungen, Starrummel, allgemeiner Sensationslust, aber auch der damals gegenwärtigen rebellischen Jugendkultur verstanden werden kann. Andere Medienkanäle der Zeit (TV, Radio, Zeitung) sind somit indirekt präsent.
Weitaus offensichtlichere Transmedialität spiegelt sich im Originalfilmmaterial wider, das über den Röhrenfernseher flackert. Löste das Fernsehen in den 1960ern, als TV-Geräte für jedermann erschwinglich wurden, doch das Radio als führendes Unterhaltungsmedium ab. Auch wenn Gleichzeitigkeit im Zeitalter des Internets eine andere Bedeutung zuzuordnen ist, so wurden soziokulturelle Ereignisse durch das Fernsehen erstmals bildlich erlebbar – eine neue Form des Dabeiseins, Miterlebens, Mitfieberns war geboren.
Zum anderen wurde eher unterschwellig der Bezug zur High Society hergestellt, gegenüber welcher Manson Wut empfand. Ausschnitte aus „The Jet Set“, einer TV-Doku über den Alltag an Bord eines Jets sowie Jule Oeft als Sicherheitsanweisungen gebende Stewardess sollen den glamourösen Lifestyle der Schönen und Reichen präsentieren. Flugreisen galten in den 1960ern als Inbegriff für kosmopolite Freiheit sowie Unbeschwertheit – ein Konsumgut, welches insbesondere von Starlets sowie Industrieerben genutzt wurde, welche wiederum die Massenmedien als Bühne ihrer Selbstinszenierung in Beschlag nahmen.

Fazit

Insgesamt kann „The Manson Family” als anspruchsvoll aufgebaute Darbietung mit einem hohen Maß an kreativer Experimentierfreude bezeichnet werden. Hintergrundinformationen zum Manson-Prozess sind auf jeden Fall hilfreich, wenn man mit der Thematik nicht vertraut ist.
Die Macht der Medien, reale und fiktive Elemente miteinander zu kreuzen, und die Sensationsgier der Zuschauer nach Extremen zu stillen, wird vielschichtig inszeniert. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Aufführung nicht einfach so zur Seite zu legen, sondern diese Trennlinien zwischen Fakt und Fiktion rückwirkend zu hinterfragen.
So fällt auch die Verbeugung der Schauspieler ungewöhnlich verhalten aus. Stecken sie noch in ihren Rollen, sind sie sich der Schwelle bewusst, haben sie gerade nur gespielt oder ist Moran der neue Manson, der Züchter einer neuen Sekte? Einer Theatersekte, die gerade noch auf der Hellerauer Bühne probt und im nächsten Augenblick schon mitten in unserem Alltag agiert?

 

Text von Birte Gemperlein und Gina Kauffeldt
Fotos von André Wirsing

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Film

Protokoll: Kinobesuch bei „Frank Zappa- Eat that question“

Johanna war für uns im Kino und hat sich den Film „Frank Zappa – Eat that question“ angesehen. Im Anschluss hat sie ein Versuchsprotokoll geschrieben. So sieht es aus, wenn man einfach mal so ins Kino geht. Eine etwas andere Filmbesprechung.

Name: Johanna Rößler    

Platz: (freie Platzwahl)

Ort: Kino im Dach


Vorbetrachtung: 

Frank Zappa kenne ich noch nicht. Ich weiß nur soviel aus meinen vorherigen Recherchen: Er ist ein schon verstorbener Musiker, welcher anscheinend Großes geleistet hat. Oder warum würde man sonst einen Kinofilm über ihn machen? Sicher nicht nur weil er Musik gemacht hat.

Durchführung

Ich fahre zum Kino im Dach und kaufe die Karte. Es ist Einlass und ich gehe in den Kinosaal. Ich bin das erste mal in dem Kino und finde es auf Anhieb gemütlich. Der Raum ist dunkel und für ein Kino ziemlich klein. Schräg vor der Leinwand steht ein alter Filmprojektor. Als Zuschauerin sitzt man sehr nah vor der Leinwand. Es gibt nur Dämmerlicht und durch die schrägen Wände des Dachstuhles strahlt der Raum nicht so eine Größe und Leere aus wie in anderen Kinos. Nur eine Frage hat sich mir gestellt, welche ich immer noch nicht beantwortet habe: Steht die Leinwand wirklich schief oder ist es nur eine optische Täuschung? Aber egal. Ich habe einen Platz gefunden, von dem aus die schiefe Leinwand nicht ganz so schief ist und der Film fängt an. Ich brauche nicht lange, um mich an den  englischen Untertitel zu gewöhnen und die Zeit vergeht wie im Flug.

Beobachtungen

Frank Zappa war Bandleader der Band „Mothers of invention“ und komponierte über 300 Stücke. Er brachte über 60 Alben heraus. Außerdem schrieb er sehr komplexe Orchesterstücke. Die Royal Opera Hall lehnte seinen Auftritt mit dem Orchster ab, aber ein paar Jahre später kaufte er sich Musiker zusammen, um seine Orchesterstücke aufnehmen zu können. Er hat es selber finanziert und meinte: „Ich nehme es auf, um es mir zu Hause im Wohnzimmer anhören zu können, und wenn es Menschen interessiert, bringe ich eine Platte raus, aber ich mach es nicht für das Geld, sondern für die Musik.“

Über seinen Grammy für Jazz from Hell war er nur überrascht , da dieses Album niemand kannte. Seine Masse an Fans in Tschechien und Skandinavien freute aber wunderte ihn und er sagte, dass die Amerikaner sich fragen würden, warum und dass so viele Menschen seine Musik mögen.

Frank Zappa war bekannt als Filmregisseur, Musiker/Bandleader, Komponist und Populist und er besaß eine eigene Plattenfirma. Ihm war wichtig, dass alle Musiker ihre Lieder ohne eine Zensur der Plattenfirma veröffentlichen können, da bei seinen Liedern teilweise Zeilen einfach weggelassen wurden.

Der Film endet mit einem Gruß an das Leben im Jahre 3000 und er grüßt so die Bakterien als einziges Leben auf der Bakteriensprache: vsgzffad hlbc wgzgqhwlf,vsb grerewhaflch.

Auswertung

Die Produktion des Filmes hat 8 Jahre gedauert und der Film hatte 4 Tage nach seinem 23. Todestag Premiere. Der Regisseur brauchte sehr lange, um mit den Kindern Frank Zappas Kontakt aufzunehmen und sie dann auch noch dazu zu bewegen, sich persönlich mit ihm zu treffen. Er wollte das Filmkonzept unbedingt in einem Gespräch und nicht am Telefon erklären. Als die Familie dann bereit für dieses Gespräch waren redeten sie 4-5 Stunden und waren begeistert aber es lag aber noch ein langer Weg vor ihnen.

Frank Zappa wurde 1940 geboren und ist am 4.12.1993 gestorben. Er brachte 62 Alben raus. Sein erstes Album war FREAK OUT! Er begann mit 14 Jahren zu komponieren und versuchte dabei verschiedene klassische und auch „moderne“ Komponisten zu vermischen und zu verbinden. Er nahm an einer Talentshow teil und präsentierte wie er auf einem Fahrrad Musik machte. Dabei wurde er nur von dem Moderator ausgelacht aber beim Tonlagenfestival (im Festspielhaus Hellerau) hätte man ihn sicher sehr willkommen geheißen. Er gründete die Band THE MOTHERS OF INVENTION und schrieb dafür die Songs. Er war Frontmann an der Gitarre, (natürlich) Bandleader und Sänger. Mit 20 Jahren begann er erst auch Lyrics zu seinen Songs zu schreiben. Er war Zuhause sehr in seinem eigenen “Utility Muffin research Kitchen“ (UMRK) -manchmal auch Tonstudio genannt- beschäftigt. Außerdem schrieb er sehr erfolgreich Orchstermusik, welche sehr kompliziert und komplex war. Manchmal hatte er Probleme alle benötigten Musiker auf der Bühne einen Platz zuweisen zu können, da es so viele waren.

Schlussbetrachtung

Ich fand den Film sehr gut, weil er sehr informativ und aufschlussreich war. Außerdem finde ich das Konzept sehr gut, da man sich aus seinen Worten selber ein Bild und eine Meinung bilden kann.   Ich kenne ihn jetzt und kann seine Musik jetzt sozusagen „mit anderen Ohren hören“. Ich werde auf jeden Fall mehr von seiner Musik hören. Er ist ein großartiger Mann gewesenund ein echtes Idol.

Nach kurzweiligen 90 Filmminuten verlasse ich das Kino als Fank Zappa-Fan.

Text von Johanna Rößler

Bilder: Pressebilder von arsenalfilm.de

 

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Musik

Besuch aus Chemnitz: BLOND in HELLERAU

AM 21. MÄRZ WAREN BLOND ZU GAST BEI MAX RADEMANN IM DIENSTAGSSALON. EINE JUNGE BAND AUS CHEMNITZ , DIE GAR NICHTS MIT KRAFTKLUB ZUTUN HAT: ZWISCHEN SOFTPUNK UND KARAOKE HIPHOP, GESPRÄCHE ÜBER LÜGEN UND ZAHNSCHMERZEN: WIR WAREN DABEI.

Johann, Lotta und Nina,
Foto: Ines Eis

Drei Runden fährt der weiße Van auf dem Vorplatz von HELLERAU, bevor er sich eine Richtung aussucht, um dann wieder umzukehren und wieder umzukehren, bevor er stehen bleibt. Das passt doch, sage ich mir, sehr gut zu BLOND. Und tatsächlich: ein Chemnitzer Kennzeichen lächelt mich am 21.März, 16:30 durch die Fensterscheiben meines Büros an wie ein alter Bekannter aus den wilden Jahren meiner Jugend; mir wird warm ums Herz.

Voll Lek

Geschwister, die kann man sich nicht aussuchen, aber Johann(Guitar, Keyboard, Gesang), Nina (Gesang, Guitar, Keyboard, Tanz) und Lotta (Rap, Schlagzeug, Tanz), die mehr Geschwister sind als Geschwister, hätten sich bestimmt auch ohne Papa oder Mama ganz gut verstanden: im Kinderzimmer auf Pappgitarren und Pappschlagzeugen, so erzählen sie es Max Rademann, haben sie schon immer Musik gemacht, bis sie sich 2011 endlich entschlossen, es in die Welt zu gebären. Und sie nannten es BLOND. Das klingt dann ungefähr mal nach Softpunk, Indierock oder auch mal HipHop, oder wie sie sagen würden: voll lek*. Denn auch das machen sie: die Altersgenossen mit ihren Wortneuschöpfungen beglücken, wir drücken die Daumen, dass es für das Jugendwort 2017 reicht: voll lek [foll leck] ugs. für sehr gut (spread it!).

Romantischer Regen

Max Rademann moderiert und inszeniert schon seit 6 Jahren den Dienstagssalon im EZK HELLERAU, zu dem er monatlich Musiker zu sich auf die Bühne einlädt um zu plauschen und ein wenig Musik zu machen. Meistens bekommt er Vorschläge, wer denn als nächstes bei ihm zu Gast sein könnte, doch manchmal, wie bei der jungen Band aus Chemnitz, lädt er auch selbst ein: etwas ganz besonderes also, öfter als einmal bedankt er sich bei den drei hübschen Blonden, dass sie gekommen sind. An diesem Abend wirkt Herr Rademann etwas neben der Spur, redet oft um den heißen Brei herum: ist er aufgeregt, immerhin der erste Salon 2017, dann noch drei charmante Gäste, ein voller Saal. Oder doch die Zahnschmerzen, die ihn plagen, wie er dem Publikum verrät? Es bleibt offen, manchmal gelingt ihm auch der ein oder andere hübsche Satz, wie als er den Applaus mit dem Regen vergleicht- „…aber kein melancholischer, sondern so romantisch.“.

BLOND mit Max Rademann Foto: Ines Eis

Heißer Merchandise

Und so kann man auch den Abend beschreiben: das Licht und die Einrichtung, das gemischte Publikum, sowie die lockere Art der Band zaubert einen gemütlichen Abend, der einen erfüllt Nachhause gehen lässt: und wenn einem die Band gefällt, dann konnte man auch ihre EP erwerben, mit hübschen Kinderfoto vorne drauf und Bonustrack, auf dem die Nummer des BLOND- Sorgentelefons vorgesungen wird. Kritik, das sei ihnen wichtig: sie wünschen sich mehr davon und bemängeln die Aussagekraft von Hasskommentaren der Fans der Rapper, die sie manchmal covern. Wer es jedoch etwas erwachsener und bodenständiger mag, kauft sich ein Feuerzeug mit aufreizendem Aufdruck: zur Auswahl stehen drei Motive: Nina, Lotta und Johann oberkörperfrei – so, das sagt Nina, wollen sie auch herausfinden wer am beliebtesten beim Publikum ist: bisher war das ja Johann- aber kein Wunder: seine selbstbewusste Stimme und die coole Brille in Kombination mit einem Groupieschmelzendem Lächeln verzaubert jeden.

Ernst seien sie schon sehr früh geworden, sie würden schnell altern: wer jedoch ihre Facebook und Instagram Accounts kennt, sieht eher das Gegenteil, und auch das sympathische drei Fragezeichen Tattoo auf Ninas Arm deutet auf ihr inneres (und äußeres) Kind. Was sehr schön zum Kontrast mit ihren doch teilweise ernsten Texten steht. In einem Interview sagt Nina: „Die Songs handeln meistens über Liebe und die traurigen Seiten, die ein Mädchen so hat.“, fünf selbstgeschriebene Songs haben sie bis jetzt, vorher haben sie nur Cover gespielt.

https://www.youtube.com/watch?v=CcHAChhTcZE&list=PL7cHt6-vMLerDaYLCWyNlAngdp2BjJASE&index=2

Reise nach Jerusalem

Eine junge Band, die sich entwickelt: zum Positiven. Durch meinen Herkunftsvorteil Chemnitz hatte ich die Chance, ihre Anfänge mit zu erleben. Am Anfang noch mit kritischen Auge und „das hält sich nicht lange“ -Gerede, überzeugte mich der Abend vor allem durch ihre bunte Performance und ihr Umgang mit den Instrumenten. Lotta rappt besser als Nicki Minaj und Nina hat eine Stimme, die man wiedererkennt, das Schlagzeug rockt, Johann spielt nice Riffs. Was ich mir ein bisschen gefehlt hat: coole Solos, Schlagzeug, Bass, da geht noch was. Sehr schön auch die Abwechslung auf der Bühne: Mal spielt Johann, der blinde Beethoven, Keyboard, dann Bass, Nina kann auch mal am Keyboard stehen, oder Lotta kommt hinter dem Schlagzeug hervor und rappt Eminem, während Nina versucht mit dem Publikum ABBA zu singen. Man kann sich die drei auch gut bei SingStar vorstellen. Ganz schön wird es mit den sweeten Tanzperformances oder Ninas „in die Musik kommen“, individuell und lek.

Beim Dienstagssalon ist es üblich, wie der Name schon andeutet, dass das Publikum sitzt. Es gab also eine hübsche Bestuhlung mit den „bunten Sesselchen“ HELLERAUs, die jedoch nicht ausreichte, weshalb mit gewöhnlichen Stühlen, die bei Veranstaltungen im großen Saal genutzt werden, nachgeholfen wurde. Das hat die Atmosphäre nicht gestört; Nina schlägt vor, während der Lieder Reise nach Jerusalem zu spielen: leider ist es dazu nicht gekommen, dennoch wippte jeder mit dem Fuß oder mit dem Kopf im Takt der Songs, man konnte sich vorstellen, wie bei ihnen die Tanztürchen im Kopf aufgingen.

Tanztürchen, so kann man es nennen, wenn man sich vorstellt zu tanzen: zu der Musik von BLOND male ich mir aus, wie ich mein Leben umkrempele und die Sachen meines Ex-Freundes aus dem Fenster schmeiße oder Zigaretten rauchend mit dem Fahrrad durch die Stadt fahre. Und dabei habe ich weder einen Ex Freund noch rauche ich.

Drei Mal verbeugen sich die geladenen Gäste auf der Bühne, bevor sie sie mit einem Danke an alle diese verlassen. Max Rademann verabschiedet sich und seine Zahnschmerzen wurden hoffentlich durch die Musik etwas gelindert. Freunde und auch ein Familienmitglied reisen mit den jungen Musikern. Das Familienmitglied ist übrigens NICHT von der Band Kraftwerk. Und sowieso, wer hat behauptet, Kraftklub sei mit ihnen verwandt?!

*Lek ist übrigens auch die albanische Währungseinheit : 135,3 Lek sind zur Zeit 1€

Musik: Geschmackssache, zwischen ernsten Indie-Rock und Karaoke HipHop und etwas Humor jedenfalls eine gute Show

Format: Dienstagssalon ist eine gemütliche und gebende Veranstaltung, sehr gut geeignet für den wöchentlichen Kulturritualkatalog

HINGEHEN:

 Am 7. April zur BLOND Gala ins Nikola Tesla nach Chemnitz

Zum nächsten Dienstagssalon


Text: Bianca Kloß (FSJlerin in HELLERAU)

Fotos: Ines Eis, Ernesto Uhlmann

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Musik

„Sag niemals ihh“ – Schnipo Schranke im Beatpol

Am 16. März 2017 waren Schnipo Schranke mit ihrem neuen Album „Rare“ im Beatpol. Wir waren dabei: Zwischen Indie-Pop und Liedermacher, zwischen Feministin und Punk.

Daniela Reis und Fritzi Ernst lernten sich beim Musikstudium in Frankfurt kennen, was jedoch für beide zu unkreativ und perfektionistisch war. Um diesem Perfektionismus zu entkommen, gründeten sie 2012 die Band „Schnipo Schranke“ (Schnitzel mit Pommes und Mayonnaise/Ketschup).

Ihren ersten Hit landeten die beiden dann im Internet mit dem Lied „Pisse“, welches – wie viele ihrer Lieder – von der Liebe handelt. Nicht verschnörkelt oder schnulzig, nicht mainstream oder weichgespült, sondern mit Wortwitz und Pipi-Kaka-Humor. Schnipo Schranke treten nicht mit dem Anspruch an, perfekt sein zu wollen. Und gerade das ist das Schöne. Sie singen über Fehler, über Missgeschicke und über intensiv schmeckendes Sperma. Als die Beiden kurz ein paar Worte an das Dresdner Publikum richten wollten, sagten sie, dass sie in der „Scham“-Ausstellung im Hygienemuseum waren, jedoch keine Scham empfunden hätten – und genau so sind ihre Texte.

Schnipo Schranke – Pisse (OFFIZIELLES MUSIKVIDEO) from Daniela Reis on Vimeo.

Mit zwei E-Pianos, Synthesizer und Schlagzeug basteln die Beiden einfache Melodien, die nur schwach erkennen lassen, dass die Beiden ursprünglich mit klassischer Musik ihre Brötchen verdienen wollten. Wenn man gerade nicht über einen Wortwitz lachen muss, kann man die Lieder deshalb auch nach relativ kurzer Zeit mitsingen.

Schnipo Schranke mischen die deutsche Popkultur mit ihrer lockeren Art, ihren Texten und Meoldien zweifelsohne auf – und das ist gut so.

Und so lockten sie auch in Dresden zahlreiche Gäste ins Beatpol unter die Stuckdecke des alten Ballsaals. Von der Tour schon etwas ausgelaugt waren die Musiker umso überwältigter von den Jubelstürmen, die nach jedem Lied ertönten. Sie bedankten sich immer höflich, liebevoll und fast sogar ein bisschen schüchtern bei den Zuschauern. Man merkt also: Die Themen, die besungen werden kommen an!

Der Jubel wurde dem Auditorium mit immerhin drei (!) Zugaben gedankt und selbst nach endgültigem Ende des Konzerts, schallte der Applaus noch einige Zeit nach.

Ausgelassen und fröhlich machten sich die Zuhörer dann auf dem Heimweg, was die Öffentlichen Verkehrsmittel vor eine kleine Herausforderung stellt. Denn: Wer nicht mit dem Taxi oder eigenen Auto nach Hause fährt, fährt mit dem Bus. Mit einem Bus um genau zu sein. Das heißt dann, dass der Bus der um diese Uhrzeit fährt, mindestens bis zum Postplatz fast nur mit Beatpol-Besuchern gefüllt ist. Nach einem guten Konzert ist dies definitiv ein vergnüglicher Abschluss.

Text und Fotos: Elias Amler

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Yahala / Willkommen 20 Uhr bis 7 Uhr // Lange Nacht in Hellerau

„Yahala!“ – Willkommengeheißen wurden wir am 25.02.17 in Hellerau zur langen Abschlussnacht des Festivals „Mashreq to Mahgreb“, der neun Tage Tanz, Musik und Kunst aus der arabischen Welt vorangegangen waren. Der Titel „Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang“ wurde an diesem Samstag umgedreht, und so wurde von 20 Uhr abends bis 7 Uhr morgens das Festspielhaus für diese besondere Nacht geöffnet.
Zum einen war besonders, wie unterschiedlich das Publikum die Veranstaltung besucht hat. Unter den zahlreichen BesucherInnen waren nicht nur viele, die sich als „ZuschauerInnen“ für eine fremde Kultur interessierten, sondern vor allem auch eine große Anzahl, die die arabische Kultur ihre eigene nennt. Während für den einen Teil des Publikums also vieles im Programm neu und unbekannt war, war es für den anderen Teil altbekannt, heimatlich. Das hat die Stimmung der  ganzen Nacht geprägt.
Zum andern kam es zu Situationen, die einem persönlich nicht sehr oft bei Veranstaltungen in Dresden passieren. Auf der Bühne sagt der libanesische Singer/Songwriter Ziyad Sahha etwas auf arabisch an, Gelächter und Antworten aus der Menge folgen, man selbst versteht es nicht, da eine anschließende Übersetzung fehlt. Für einen persönlich natürlich nicht sehr schlimm, aber für viele im Publikum umgekehrt sicher ein Alltagsmoment, der auf Dauer frustrieren kann. ZuhörerInnen, unvertraut mit der arabischen Sprache, nehmen anders an den Auftritten teil, als etwa BesucherInnen, die diese verstehen. Die Klänge und Melodien der Musik Ziyad Sahhabs haben dennoch viel Stimmung transportiert und gaben einem nicht das Gefühl, außenvor zu stehen. Seine Lieder begleiteten die gesamte Nacht, insgesamt fünf Mal stand sein Name auf dem Programmzettel von „Yahala“.
Gestartet ist der Abend mit „Tarab“, einer zeitgenössischen Tanzperformance auf der großen Bühne und geendet mit einem Frühstück und Lagerfeuer im Hof. Dazwischen war die Zeit mit unterschiedlichen Programmpunkten gefüllt, wie Konzerten, einer Offenen Traum-Bühne, einer Teezeremonie oder Auftritten des Dance Lab, allerdings wirklich nicht zu straff. Das Programm der langen Nacht in Hellerau ließ auch Raum für die Spontanität und Beteiligung der BesucherInnen. Das war etwas, was wir vorher nicht so sehr erwartet hatten, was sich aber als gut und auch sehr wichtig herausstellte, da viele der besonderen Momente der Nacht dadurch entstehen konnten. Nicht der ganze Abend war durchgehend besonders aufgeladen oder emotional, aber es gab doch mehrere „magische“, berührende Momente, mit stark zu spürender, verdichteter Atmosphäre im Raum.
Zum Beispiel bei einem der Auftritte von Ziyad Sahhab. Am Rand begann ein alter Mann für sich zu der Musik zu tanzen. Er wird bemerkt und andere Männer und Frauen steigen darauf ein, fangen ebenfalls an zu tanzen, nun auch vor der Bühne. Das war für uns als „Außenstehende“ ein sehr spürbarer, spezieller Moment, die Situation wirkte völlig natürlich, nicht vorbereitet, fast intim. Wir kannten das Lied nicht, hatten keinerlei Verbindung oder tieferen Bezug dazu, wieder wird einem dieser Unterschied im Publikum bewusst, das die Volkslieder so unterschiedlich anhört und aufnimmt. Man fühlte sich wie ein Gast einer fremden Kultur, in die aber sehr gern Einblick gewährt wird. In dem Moment war auch ein Glücksgefühl zu spüren, gemeinsam diese Freude über den schönen Abend teilen zu können, ob arabisch oder nicht arabisch.
Sprachbarrieren sind Teil des Alltags und schaffen häufig ungewollte Distanz zwischen Menschen verschiedener Länder oder Kulturen. Auch an diesem Abend waren sie natürlich präsent, zum Beispiel bei den „Dreams“, bei dem jede/r die oder der wollte sich ans Mikro stellen und von seinen oder ihren Träumen,
Visionen und Wünschen erzählen konnte. Anfangs erzählte eine Frau von ihrer Hoffnung auf mehr Raum für zeitgenössische Kunst in Dresden. Allerdings konnte ohne Übersetzung nicht das gesamte Publikum ihrem deutsch vorgetragenen Traum folgen, es wurde ihr unterschiedlich aufmerksam zugehört. Dieses Problem wurde jedoch in einer späteren Dreamsession spontan und auf eine sehr schöne Art und Weise gelöst. Zwei Frauen standen auf und stellten sich neben den „Hauptträumer“ und übersetzten in ihre jeweilige Landessprache. So konnten alle im Saal verstehen und folgen, alle konnten an seiner Erzählung teilnehmen. Es wurde sich die Zeit für Verständigung und gegenseitiges Verständnis genommen und das war wieder ein besonderer, schöner Moment voll Wärme, Wohlwollen und Gemeinschaft.
Gemeinschaftlich war auch einer der Tänze des Dance Lab, der gegen Ende stattfand und dort zeitlich sehr passend war. Ein verbindender, verschmelzender,
lebendiger Tanz, auf den sich immer mehr Menschen aus dem Publikum einließen, sich erhoben, anschlossen. An den Händen haltend bildete sich ein
dynamischer, zusammenhängender, inniger Körper, der sich fortlaufend, voll fließender Energie durch den Raum bewegte. Musik und Tanz überwinden die gesprochene Sprache, sind eine Sprache ohne Worte, die jeder verstehen kann. Gesprochene Sprache steht im Alltag oft zwischen den Kulturen, deswegen ist es so wichtig die vielen anderen Aspekte einer Kultur kennenzulernen und viele solcher Gelegenheiten des Austausches zu bieten und wahrzunehmen.
Musik, Tanz, Kunst, Essen, … und darum ging es nach unserem Gefühl auch vor allem bei der langen Nacht, um dieses Kennenlernen und das Gemeinsame.
Zu spüren war oft auch ein bittersüßes Sehnsuchtsgefühl, das jeder kennt, der für längere Zeit sein zu Hause verlassen muss. Heimat, Geborgenheit und
Gemütlichkeit hätten noch durch eine liebevollere Dekoration unterstrichen werden können. Die Lounge im Nancy Speero Saal wäre ein guter Ort dafür gewesen.
Gerade die arabische Lebensart erinnert an ausgerollte, bunte Teppiche, geschmückte Lampen, verzierte Kissen und dampfende Wasserpfeifen. In der langen Nacht wurde viel von Frieden gesprochen und die Atmosphäre bei „Yahala“ war ebenfalls sehr friedlich, offen und entspannt. Der Traum und Wunsch von Frieden und Gemeinschaft war gegenwärtig und darin waren sich auch allesamt einig.
Text: Matilda Nitzling
Begleitung am Abend: Wiebke Mahrt
Fotos: Dieter Wuschanski
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Tanz und Theater

Tanzworkshop mit Joel & Ulysse von der Dresden Frankfurt Dance Company

Bon Iver, David Bowie, James Blake und Iggy Pop laufen im großen Saal des Festspielhauses Hellerau. Wir öffnen die Augen und lassen das Licht in uns, bewegen uns im Liegen in den Boden hinein und bewegen uns vor allem nach unseren Gefühlen, manchmal bewegt der Körper aber auch uns – wie das geht, haben wir von zwei Tänzern gelernt.

Die Workshopleiter

Joel und Ulysse geben jedem Teilnehmer des Tanzworkshops am 03. Dezember die Hand und stellen sich vor. Sie werden erst am Ende sagen, dass dies das erste Mal sei dass sie so etwas leiten, aufgefallen jedenfalls ist es keinem. Es sind nur 10 Teilnehmer, zwei Kinder unter ihnen, und die Hälfte ohne jegliche Tanzerfahrung. Englisch? Ulysse kommt aus Frankreich, wo er an der Ballettschule der Opéra national de Paris eine klassische Ausbildung erhielt, bis er 2014 nach Deutschland kam, um seine Ausbildung im zeitgenössischen Tanz zu fortzuführen. Joel, der wohl auffallendste unter den sehr charakteristischen Tänzern der Dresden Frankfurt Dance Company, kommt aus Australien, er sagt auf Deutsch, er könne nur ein bisschen Deutsch. Wir lachen zögerlich. Wie soll man sich Tänzern gegenüber verhalten?

Seinen Körper spüren

Wir gingen also auf die Tanzfläche, ein Kreis wurde gebildet. Hinlegen. Atmen. Spürt euren Körper, wie er reagiert. „Now move your legs.“ Schritt für Schritt bewegten wir jeden Teil unseres Körpers, „And now 10 seconds losing controll, okay? Just as much as you can, 10, 9, 8, …“ , was nach Spaß klingt, war ebenso Entspannung. Nach dem Liegen gingen wir in die „Doggy Position“, bewegten unsere Schultern, brachen zusammen, wiegten nach Hinten, Hüfte. Wir lösten unsere Hände vom Boden, und so kamen wir letztendlich nach und nach zum stehen- nach einem langen Prozess der eigenen Körperwahrnehmung. Man könnte es mit der Evolution vergleichen; wir fühlten uns gut.

 

Nachdem wir uns allein bewegt hatten, bestand die nächste Übung darin, die Tanzbewegungen eines Tanzpartners nachzuahmen- dabei übernahm nicht einer die Führung, sondern es entstand wie selbstverständlich eine gemeinsam ausgeführte Bewegungsabfolge, ohne sich abzusprechen, wann was passiert. Zugegeben, anfangs war viel Lachen dabei, immerhin öffnete man sich nun mit einer Person. Joel und Ulysse gaben dann Anweisung, sich nicht mehr nachzuahmen sondern sich nur noch voneinander inspirieren zu lassen. Mittlerweile tanzten wir alle verteilt auf der ganzen Bühnenfläche, als Joel sagt, wir sollen nun irgendjemand im Raum nachahmen. Und das taten wir. Stellenweise machten wir alle dieselbe Bewegung, wenn einer jemanden nachmachte, der ebenfalls schon jemanden nachahmte… es war ein Spiel, welches jedoch auch eine Ästhetik beinhaltete.

Zappeln, Klopfen und improvisieren

Danach fanden wir uns wieder in einem Kreis zusammen, lockerten noch einmal unseren Körper, bevor wir mit einer weiteren Übung zu zweit jeweils tanzen- oder zappelten: einer „klopfte“ sanft über den Körper des anderen, der sich nach Schnelligkeit und Heftigkeit des Klopfens bewegte. Eine Übung, die besonders den zwei Kindern gefallen hat.  Bevor wir den Höhepunkt des Workshops erreichten, sollte noch einmal jeder sagen, was ihm besonders gefallen hatte und was nicht. All die verschiedenen Bewegungen, die wir die letzte Stunde aktiviert hatten, sollten wir nun in einer zehn-minütigen Improvisationsperformance zeigen und kombinieren. Wir verteilten uns auf der Bühne, manche starteten liegend, manche stehend. Man versuchte, seinen Körper die Musik malen zu lassen, aber auch irgendwie in Zusammenspiel mit den anderen. Wie wir gelernt haben, ließen wir uns von unseren „Kollegen“ inspirieren, manchmal ahmten wir auch nach. Wie das wohl für Außenstehende gewirkt haben soll? Wie ein großes Durcheinander oder doch gewollt, künstlerisch, modern und schön? Während wir tanzten, stellte sich wohl keiner diese Frage, dafür haben uns Ulysse und Joel vorher schon in ein befreites Selbstbewusstsein geführt.

Eine kurze Abschlussrunde, alle sagen, dass es toll war. Befreiend, dass sie etwas gelernt haben. Sei es nun die Selbstwahrnehmung oder die Fähigkeit, mit anderen zu tanzen, nicht nur für sich allein. Jemand sagt, es wäre ein guter Yoga Ersatz, zweimal die Woche diesen Workshop und man sei ausgeglichen.  Die beiden fühlen sich geschmeichelt, sagen, sie haben auch etwas von uns gelernt und sich inspirieren lassen. Dass sie an einem Workshop Konzept arbeiten wollen.

Ein paar Tänzer der Dresden Frankfurt Dance Company kommen auf die Bühne und wärmen sich für das Training auf, während sich ein paar der Workshopteilnehmer noch Musiktipps von Ulysse und Joel geben lassen. Wie man sich Tänzern gegenüber verhalten soll? Die beiden haben sich das wohl auch gefragt: wie sollen wir uns nicht-Tänzern gegenüber verhalten? Während dieses Workshops sind wir alle gleich geworden, egal welchen Beruf wir hatten- und am Ende sind wir doch alle nur Menschen, die eines wollen: glücklich sein!

Merci beaucoup pour ce workshop!

Text von Bianca Kloß
Fotos von Sabrina Spurzem

Titelfoto: dresdenfrankfurtdancecompany.com

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Theater

Sherlock Holmes und die Schnecken von Eastwick im Boulevardtheater

Meike und Sabrina waren im Boulevardtheater Dresden bei Sherlock Holmes und die Schnecken von Eastwick. Ihre Meinung zu Spannung, Bühnenbild und Musikeinsatz werden im Video diskutiert.

Produktion: Sabrina Spurzem und Meike Krauß

Szenen Foto: Robert Jentzsch/ Boulevardtheater