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Eis Eis Baby – Comödie Dresden
Wie es euch gefällt – Botanischer Garten
Der Schaubudensommer
parallel situation – Anna Till und Barbara Lubich im riesa efau
Ostrale 2017
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Ostrale 2017
Auf Wunsch des Feature Ring-Trio wird seit diesem Jahr nicht mehr auf einer erhöhten Bühne sondern ebenerdig gespielt. Nur der blaue Untergrund scheint noch die Andeutung einer Bühne zu sein. Dafür sitzt das Publikum auf einer mehrstufigen Tribüne frontal und rechts von der Band aus verteilt. Die Anordnung von Publikum und Musikern erinnert tatsächlich ein wenig an einen Wettkampfring. Wo sich alles darauf konzentriert was gleich in ihrer Mitte passieren wird. Wer wird den ersten Schritt machen?
Diesen Mai stieg Roger Rekless zu den dreien in den Ring. Rekless ist ein deutscher Musiker, der im HipHop sowohl als Produzent, Sänger, Rapper, aber auch als DJ zu Hause ist. An diesem Abend eröffnete Demian zunächst allein das Konzert, in dem er am Schlagzeug anfing einen Rhythmus zu erzeugen und es mit elektronischen Aufnahmen von Geräuschen ausbaute – elektronische Soundpulte, die eigentlich eher wie ein buntes Kinderkeyboard aussehen, scheinen zu jedem Feature Ring-Abend zu gehören. Nach ein paar Takten Schlagzeug-Beats begrüßt er herzlich das Publikum und bittet darum mit ihm gemeinsam Felix-Otto, Eren und besonders den Star-Gast des Abends, Roger Rekless, willkommen zu heißen. Jeder der auf die Bühne hinzukommt beginnt zu spielen und das erste Lied puzzelt sich nach und nach zusammen. Nach dem ersten Lied setzt Roger auch seine Sonnenbrille ab. Er rät uns, lieber nie auf die Idee zu kommen eine Sonnenbrille auf der Bühne zu tragen und zu denken, dass es cool sei. In Wirklichkeit ist es überhaupt nicht nützlich, weil man absolut nichts sieht, wie er eben selbst feststellen musste. Sympathisch, der Typ! Rekless beginnt im nächsten Stück sofort mit einem Cheer das Publikum einzubeziehen, schließlich gehöre es sich so. Im HipHop hat das Publikum Einfluss auf die Musik und erhält Aufträge, so auch wir. Immer wenn sein Arm hoch geht kommt von uns ein „Ohhh“. Die Stimmung wird lockerer.
Rekless erklärt uns, dass alles was sie heute Abend spielen werden, sehr improvisiert sein wird. Die Zeit für Proben vor einem Feature Ring-Abend ist meistens sehr knapp, weil die geladenen Künstler oft eine längere Anreise und auch einen vollen Terminkalender haben. So fällt das Kennenlernen und Proben meistens auf die Stunden vor dem Auftritt. Sie werden etwas für den Moment schaffen, was es so noch nie gab und auch danach nicht wieder geben wird. Der Moment, der Rap, die Musik ist nur für uns, hier zu erleben. Alles ist temporär. Ein schöner Blickwinkel und die wohl richtige Einstellung die man für Improvisation benötigt. Dass Roger Rekless definitiv ein talentierter Freestyle-Rapper ist, davon hat er wohl den letzten spätestens dann überzeugt, nachdem er spontan einen Song über Hosenträger performte. Er hatte das Publikum darum gebeten ihm ein Thema zu nennen über welches er im nächsten Lied rappen soll. Sehr mutig von ihm. Ein Mann schlägt als Stichwort Hosenträger vor. Rekless nimmt diese Herausforderung an und beginnt uns die Story zu rappen, wie er seine ersten Hosenträger gekauft hat. Es war lustig und spannend zu gleich. Rekless meint er sei selbst überrascht, was dabei cooles rausgekommen. Das ist auch der der Nervenkitzel an der Improvisation, da man nie selbst weiß, wo es hingehen wird.
Unser Zitat des Abend von Roger: „Manchmal ist es einfacher Dinge auf Papier zu bringen, als aus dem Mund“.
Danke für diesen Abend!
Text: Tara
Fotos: Elias Amler
Bereits in den frühen Kindheitsjahren wurde die Stimmgewalt des Schweizers Fabian Egli erkannt. Sein Weg führte vom Kinderchor bis in die Opernhäuser und Musicalbühnen der Republik. Heute agiert der satte Bariton in den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz und hat sich unlängst als Künstler der universellen Fähigkeiten etabliert.
Na, dann legen wir mal los. Wie kamst du eigentlich zum Theater?
Irgendwie war das so selbstverständlich. Ich bin, als ich fünf Jahre alt war, mit meinem Vater in ein Adventskonzert gegangen und dort hat ein Kinderchor gesungen. Sofort habe ich zu meinem Vater gesagt, dass ich das machen möchte. Der Chor war eigentlich erst ab acht Jahren zugänglich, doch die Chorleiterin hat eine Ausnahme gemacht und ich durfte mitmachen. Schon mit fünf Jahren habe ich also regelmäßig Gesangsförderung erhalten und immerzu gesungen. Ich hatte das Glück, dass die Chorleiterin – eine nette Dame – recht schnell erkannt hat, dass ich Talent habe und so erhielt ich schon in jungen Jahren eine besondere Förderung. Die meisten sind dann irgendwann im Stimmbruch ausgeschieden. Bei mir kam der recht früh, schon mit zwölf Jahren und über die Sommerferien hatte ich plötzlich schon meine Männerstimme. Doch ich wollte unbedingt ein Teil des Chores bleiben und von da an hat die Leiterin extra für mich eine Bassstimme in die Stücke des Kinderchors reingeschrieben. Hierdurch hatte ich immer Solostimmen und erhielt eine spezielle Förderung. Neben dem Sologesangsunterricht, den ich dann nahm, habe ich dann drei Jahre vor dem Abitur mit einem Pianisten – der ähnlich verrückt war wie ich – ein Duo gegründet. Mit einem breiten Repertoire traten wir so schon in kleinen Theatern auf. Ich bin also reingewachsen in die ganze Sache. Dann kam irgendwann die Frage: Schaffe ich es ins Studium oder nicht? Mein Lehrer hat gemeint ich würde es schaffen. Ich wurde dann auch genommen und habe erst mal ganz normal Gesang und Gesangslehre in der Schweiz studiert. Ich wusste aber immer, dass ich auf die Bühne wollte. Es ist schön, auch mal eine Messe zu singen, mach ich auch jetzt dieses Jahr wieder, aber ich wusste, ich bin der Bühnenmensch. Wie ihr hört komme ich also durch den Gesang zum Theater.
Du hast dein Aufbaustudium dann auch in Stuttgart gemacht. Wie war deine Zeit dort und was verbindest du noch mit der Stadt?
Ich kam ganz spontan nach Stuttgart. Eigentlich war mein Plan in Amsterdam zu studieren. In dieser Schule kam es aber aufgrund politischer Gründe zu Lehrerwechsel und dann habe ich dort meinen Platz verloren. Stuttgart war dann noch die Schule, die noch keinen Anmeldeschluss hatte und ich kannte jemanden der da ist und der sagte es wäre gut und ich solle es versuchen. Das habe ich dann gemacht und wurde angenommen. Das tolle in der Stuttgarter Opernschule ist, dass sie ihr eigenes Theater hat. Im Wilhelmatheater, in dem die Opern- und Schauspielstudenten der Hochschule spielen dürfen, lernt man so von Anfang an, wie Theater funktioniert. Die gesamten Abläufe gleichen einem Realbetrieb. Das ist sehr wertvoll. Man lernt recht schnell dieses eigentümliche System kennen. Es ist so, dass man mit diesem System klarkommen muss, wenn man in diesem Job bestehen will. Und sonst, muss ich ehrlich sagen, verbindet mich mit Stuttgart nicht mehr viel, da ich eigentlich nur gearbeitet habe die ganze Zeit. Ich bin auch nie so richtig in das Studentenleben reingewachsen, die meisten waren nämlich schon von Beginn an auf dieser Schule. Ich bin da eigentlich einfach so dran vorbei gereist. Stuttgart ist ja auch ein Ort, an dem sehr viel läuft mit seinen vielen Theatern, seiner Kabarett- und Varietészene. Ich war sehr, sehr oft im Theater und im Gegensatz zu meinen Studienkollegen nicht nur im Staatstheater, sondern auch in den ganzen anderen Häusern und kleinen Bühnen. So oft es ging war ich im Theater.
Also liebst du auch die Vielseitigkeit?
Ja, diese Vielseitigkeit ist für mich wichtig. Ich finde sowieso, dass diese ganze Abgrenzung in den ganzen Sparten völlig unsinnig ist. Also, warum hat die Oper so viel Angst vor dem Musical oder das Schauspiel vor der Oper? Wir machen eigentlich alle das gleiche. Wir stehen auf der Bühne und bieten dem Publikum etwas, dass mit Kunst in all ihrer Facetten zu tun hat. Statt gegenseitiger Abgrenzung der Sparten, die aufgrund der jeweiligen Stückauswahl schon gegeben ist, könnte man auch produktiv zusammen arbeiten und voneinander lernen. Ein Beispiel: Vom Kabarett – wenn es gut gemacht ist – kann ich sehr viel was Timing, Rhythmus und Pointen setzen angeht lernen. Das kann ich wieder für meine Bereiche Oper und Musical brauchen. Deutschland hängt hier beispielweise Holland extrem hinterher. Hier kam es schon zum Umdenken und das starre Schubladendenken der Sparten lockert sich allmählich. Wir schreiben was, wir machen was und wenn Leute kommen ist die Etikette die drauf ist egal. Die Mischproduktionen zwischen Schauspiel, Ballett, Oper und auch Musical sind so fruchtbar und künstlerisch spannend.
Was zeichnet deiner Meinung nach eigentlich einen guten Opernsänger aus und was einen guten Musicaldarsteller?
Bei der Oper ist es schon so, dass natürlich die vokale Qualität an erster Stelle steht. In erster Linie also toll singen. Man kann das ein Stück weit auch nicht beeinflussen. Entweder du hast dieses Timbre und das Material oder nicht. Dann, oben drauf kommt deine Ausbildung. Hast du eine ordentliche Technik, die es dir erlaubt, das was in dir steckt zu nutzen, ohne dass man etwas kaputt macht. Über die Jahre wird man besser, man reift. Dann ist aber auch ein großer Bereich, den ich zu Beginn erst einmal unterschätzt habe: Man muss einfach auch die Kondition und den Willen mitbringen, immer und als Standard eine gewisse Lautstärke zu produzieren, hierfür muss man oft leider Abstriche in der künstlerischen Darstellung machen. Viele Häuser sind akustisch, mit ihren hochgefahrenen Orchestergräben, nicht optimal gebaut und wenn das Orchester dann spielt, dann brennt die Bude und man muss schauen, wie man durch kommt. Da kann man lange schön Ausdruck spielen, wenn man nichts hört, ist es blöd. Das muss einem, wenn man sich in der Oper wirklich wohlfühlen will, recht sein. Da macht man dann eben im Spiel Abstriche und letztlich auch im Ausdruck. Wenn man viel Geräusch und Klang produzieren muss, sieht man auch nicht mehr so entspannt aus, was ganz normal ist. Wenn einem allerdings der Ausdruck und das Spiel wichtig wäre – das ist es in meinem Falle auch – dann hat man es in der Oper in Deutschland sehr schwer. Hier sind noch ein großer Klang und ein großes Orchester gefragt. Beim Musical ist es etwas anders. Hier ist eher die Vielseitigkeit wichtig. Die Gewichtung des Spiels und des Tanzes ist viel größer. Nur mit einer schönen Stimme hat man im Musical keine Chancen. Es gibt natürlich solche Cracks, die in allen drei Bereichen gleich gut sind, aber normalerweise sind zwei starke Bereiche Standard und den dritten nimmt man so mit. Dies reicht auch aus, denn wenn ein Tänzer super tanzt und ein Sänger daneben hervorragend singt und beide gut spielen, dann gleicht sich das aus. Das Interesse an den unterschiedlichsten Ausdrucksformen ist also im Musical von großer Bedeutung. Musical ist schließlich so breit gefächert quer durch alle Genres. Wenn man seine Nische findet im Musicalbereich, dann hat man Erfolg. Bei mir ist es der Gesang und dann das Schauspiel. Tanz ja, das geht schon. (lacht) Nicht meine Stärke, aber ich komme mit…
Deine Passion – Oper oder Musical?
Ja, das ist das Lustige. Zunächst die Oper, wahrscheinlich weil ich die klassische Gesangsausbildung gemacht habe. Es war das Einzige, was es für mich damals gab und dann habe ich das gemacht. Ich bin auch froh darum, da man eine sehr solide gesangliche Grundausbildung erhält. Rein vokal kann mir nicht viel passieren. Aber eigentlich begeistert mich schon eher das Unterhaltungstheater. Musical ist da auch zu eng gefasst. Der ganze Bereich Musical, Show bis hin zum Varieté. Zunehmend merke ich auch, dass darin meine Stärken liegen und daher habe ich mich jetzt auch im letzten Jahr ganz dafür entschieden, in diese Richtung zu gehen. Seit ich das gemacht habe, denke ich eigentlich, dass ich das schon früher hätte machen sollen. Es war eigentlich von Kindesbeinen an das, was zu mir passte. Ich habe als Kind so viel Theater gesehen. Aber gut gemachte Musicals oder Shows begeisterten mich stets am meisten. Wir sprechen nicht von den Stücken, die laufen und die nach ein paar Monaten wieder vergessen werden. Gerade versucht man aus jedem Thema ein Musical zu machen und da kommt das häufig vor. Das war in der Oper vor 250 Jahren aber auch so, in Hundert Jahren wird auch kein Musical mehr laufen, das heute floppt. Der Vergleich ist nicht fair, das eine ist schon Jahre her und hat sich im Laufe der Zeit etabliert bzw. ist schon ausgesiebt. Das andere passiert gerade und muss noch ausgesiebt werden.
Musical und der Kommerz – wie stehst du dazu?
Ja, natürlich das ist ein zweischneidiges Schwert. Es ist ja so, dass die klassischen staatlichen oder städtischen Theaterhäuser subventioniert werden und das ist sehr wichtig. Man darf diesen Häusern unter keinen Umständen die Gelder wegnehmen, allein wegen der Bildungsfunktion, denn kein Geld, keine Bildung. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass der Kommerz im Musical auch deshalb eine solche große Rolle spielt weil hier die Subventionen fehlen. Die Musicalhäuser müssen ihre Kohle meist selbst einspielen. Das ist die eine Seite, deswegen ist eine gewisse kommerzielle Ausrichtung nötig. Wenn Musical im Rahmen eines subventionierten Mehrspartenhauses gespielt wird, dann ist es natürlich anders. Wobei selbst dort dann das Musical die „Geldreinbring-Maschine“ ist. Man setzt eines auf den Spielplan, damit die Leute kommen. Das ist schade, denn es gibt wirklich auch viele Offstream-Musicals, wo wirklich gutes Theater gemacht wird, auch zeitpolitisches Theater. Das sieht man leider selten und wenn dann nur in Studioproduktionen. Aber generell ist es schon so, dass bei den wirklich großen Produktionen die Kommerzialisierung nach und nach ins negative Extrem kippt. Stage Entertainment, beispielsweise, ist jetzt von einem Finanzinvestor übernommen worden und von einer Finanzholding die rein gewinnfixiert arbeitet. Das geht eine Zeitlang gut und dann leidet die Qualität darunter. Das erste, was daran glauben muss, ist das Orchester, wo man dann mit viel Synthesizer arbeitet und dann werden die Ensembles verkleinert. Das ist ein Problem. Wobei, da kann man jetzt auch wieder einen Gegentrend erkennen, weil die Leute nicht blöd sind und diese Qualitätseinbuße aufgrund von Gewinnerzielung erkennen. Irgendwann stimmt das Preis-Leistungsverhältnis einfach nicht mehr. Es gibt inzwischen genügend Staats- und Stadttheater und auch kleinere private Häuser, in denen tolle Produktionen laufen. Mal schauen, wie lange es dauert, bis es die großen Musicalunternehmen erreicht. Bei den großen eingekauften Shows handelt es sich nämlich oft nur noch um Reproduktion und nicht mehr um eigene Kunst.
Sind das nicht dann auch die Schattenseiten von dem Beruf des Musicaldarstellers?
Ich würde nicht sagen die Schattenseite, aber es ist schon die dunkle Wolke, die drüber schwebt. Entweder du machst als Darsteller mit in diesem Spiel, hältst dich an die Regel, läufst mit, oder du lässt es bleiben, kannst dann aber den Beruf nicht ausüben. Das hat ja auch Auswirkungen auf Auditions und auf das Casting. Überall spürst du eben, dass mehr auf Namen gesetzt wird und dabei immer auf die Gleichen – egal ob sie für eine Rolle geeignet sind oder nicht. Darunter leidet oft die Kreativität und die schöpferische Kunst. Die Chance für Leute, sich zu entwickeln bleibt aus. Komm rein, mach es und wenn du es nicht machst, lass es bleiben.
Postmoderne Stilistik in der Oper – Kritiker oder Liebhaber?
Das ist ein ganz schwieriges Thema. Ich will in der Oper nicht nur Gehröcke und Rüschenkostüme sehen, aber ich will eben auch Gehröcke und Rüschenkostüme sehen. Es ist leider momentan ein Grabenkrieg, also entweder oder. Entweder man macht es traditionell, was dann aber oft meint, dass man auch nur ansatzweise von all dem absieht, was nach heutiger Zeit riecht, oder man macht modern, was dann oft dazu führt, dass man das Stück nicht mehr erkennt. Beides ist nicht gut. Ich kann in einem historischen Setting sehr wohl ein modern gedachtes Theaterstück auf die Bühne bringen. Wo die Figuren aus heutiger Sicht beleuchtet werden und Themen gegenwärtig betrachtet und verarbeitet werden. Die moderne Sicht ist sehr wichtig, sonst ist es ein Museumsstück. Wichtig ist aber immer auch der inhaltliche Bezug zur Thematik. Wenn es postmodern ist der Postmoderne wegen, dann fehlt mir die durchdachte, schlüssige Sichtweise auf das Stück. Ich muss nicht immer die Auffassung des Regisseurs teilen, aber wenn ich sie nachvollziehen kann und ein Diskurs entsteht, dann ist das gut. Man merkt das auf den Proben ganz schnell. Es kommen Momente wo der Regisseur sich ans Libretto setzt und sagt: „Ja, aber diese Szene. Es ist auch einfach nicht gut geschrieben, das streichen wir“, das sagt mir dann, dass da kein schlüssiges Konzept vorhanden ist. Das heißt nicht, dass man alles so spielen soll wie es geschrieben steht – das wäre ja schrecklich – aber wenn man ein Stück inhaltslos zusammensetzt, dann geht vieles schief. Viel funktioniert bei den postmodernen Sachen auch deswegen, das glaube ich und das ist jetzt vielleicht auch sehr subjektiv gesagt, weil Zuschauer, die das Stück anschauen und den eigentlichen Inhalt gar nicht verstehen, eine fantasierte, höhere Bedeutung darin sehen, oder dass Andere sich davor komplett verschließen und in dem Irrglauben sind, dass die Kunst zu hoch für sie ist. Ich hab das auch selber als Darsteller erlebt. Nicht nur der Zuschauer wusste nicht mehr um was es geht, sondern auch wir Darsteller und bedauernswerterweise auch der Regisseur, der nur mit philosophischen und psychologischen Vorträgen daherkommt. Im Schauspiel ist das ähnlich, wobei die Sparten in dieser Thematik auch nicht gleichzusetzen sind und es hier Differenzen gibt.
Was zeichnet einen guten Regisseur dann aus?
Aus meiner Sicht sind das drei Bereiche. Zunächst sollte er einen großen Respekt vor dem Stück haben. Ich will als Darsteller erkennen, dass sich hier jemand wirklich genau damit beschäftigt hat. Wenn schon im Konzeptionsgespräch gesagt wird: „Es ist aber auch keine starke Vorlage“, dann merke ich, dass dieser Respekt in jeder Hinsicht fehlt. In der Operette ist es beispielsweise so, dass man die ganzen alten Texte umschreibt – klar, weil dieses alte gestelzte Deutsch schwierig ist. Aber es gehört dazu und es ist ein Stilmittel dieses Stücks und die Kunst ist es eben, daraus etwas zu machen. Eine andere Bedingung ist, dass ein Regisseur auf die Leute eingehen kann und das entsprechend ihrer Besonderheiten und Fähigkeiten. Ein Regisseur muss die Ressourcen der Darsteller erkennen und mit diesen gemäß seiner Konzeption arbeiten. Neben der kreativen Tätigkeit sollte ein Regisseur aber auch menschliche Werte vertreten und organisatorisch den Überblick nicht verlieren. Denn miese Stimmung killt jegliche Art von Kreativität. Ich will von einem Regisseur eine Ahnung erhalten, wie er meine Rolle sehen will und kombiniere das mit meinen Vorstellungen. Es soll ein Zusammenspiel sein, das ist aber nur möglich, wenn seitens der Regie eine Grundidee vorhanden ist.
Inszenatorisch gibt es im Musiktheater unterschiedliche Ansätze. Die reine Bedienung der Partitur reicht nicht mehr aus. Zunehmend werden lyrische Werke eingewoben, das Libretto umgeschrieben oder ergänzt und entgegensetzte szenische Darstellungen auf die Bühne gebracht. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem eigentlichen Werk sondern eine Art Reibung entsteht. Also assoziative Inszenierungen und reflexive Verschärfung der Thematik.
Ich finde so etwas total interessant. Man kann und sollte das auch machen, muss man aber auch nicht. Wenn solche Produktionen hin und wieder einmal laufen und beispielsweise in der „Zauberflöte“ das Thema Syrien eine Rolle spielt, oder wenn bei „Hänsel und Gretel“ Thema Kinderarmut eingewoben wird, warum nicht. Es ist schon auch wichtig, dass das Theater nicht immer gefällig ist und auch das Musiktheater. Dieses ist ja dem größten Risiko ausgesetzt, einfach nur gefällig zu sein. Im Schauspiel ist es besser möglich solche Brüche einzubauen. Ich finde es in Ordnung und sehr wichtig, aber es sollte kein Standard sein. Es muss für mein Empfinden auch Theater gemacht werden, das einfach nur unterhält. Das hat eine wichtige Funktion gerade in unserer heutigen Zeit. Es ist nicht so, dass wenn das Theater bestimmte Problematiken nicht zeigt, dass die Leute es dann nicht wissen. Das war früher mal so, da war das Theater ein Informationsorgan. Heutzutage werden die Leute permanent mit solchen Themen konfrontiert. Ich saß heute jetzt im Frühstücksraum im Hotel und da ist ein Fernsehbildschirm, da läuft nonstop vierundzwanzig Stunden am Tag NTV, ich hab mich dann irgendwann umgesetzt, denn man entkommt den gegenwärtigen Schreckensnachrichten nicht. Muss das jetzt hier im Frühstücksraum sein? Da liegen sowieso überall Zeitungen, jeder hat ein Handy.
Deswegen finde ich es wichtig, dass die Leute auch einmal sagen können: „Jetzt steige ich mal aus und mache Pause. Jetzt mach ich mal das Handy aus. Ich will jetzt mal nichts mehr wissen und gebe mir mal drei Stunden die volle Dröhnung. Ich will mich jetzt einfach mal wegträumen. Dann beschäftige ich mich wieder mit den Themen der Gegenwart.“ Das ist auch eine Funktion des Theaters, die aber sehr verpönt ist, immer noch, die aber, so wie ich finde, gerade heute, sehr, sehr wichtig ist – die muss man sehr ernst nehmen. Das heißt also, was du eingangs beschrieben hast, wenn diese Art, Theater zu machen, Standard ist, dann haben wir keine Ruhezone in unserem Alltag und auch das Theater kann so ein Ort sein. Diese Funktion hat gerade das Kino im Moment. Wenn man da die Beschreibung durchliest, dann weiß man, was man kriegt, das sollte das Theater – wenn auch nicht immer – auch können. Gerade das Musical hat da eine wichtige Funktion und das ist gerade der ehrliche Teil an diesem Genre. Das Musical will meistens nicht mehr sein als es ist. Es ist eben manchmal reine Unterhaltung und Show, man will, dass die Zuschauer sich gut fühlen für kurze Zeit. Es braucht also eine Waage zwischen den verschiedenen Herangehensweisen Theater zu machen und diese sollten möglichst verschieden sein und möglichst immer wieder etwas Neues entdecken.
Sollte so auch ein Spielplan aussehen?
Der Gemischtwarenladen innerhalb eines Hauses ist nicht gut, da man eben nicht die Spezialisten bekommt. So sollte jedes Haus seine Richtung entwickeln, man kann es nie allen recht machen. Pluralistisch gesehen sollte Theater nicht auf der Hausebene gesehen werden, aber im Makrokosmos des Theaters.
Was wäre dein Ratschlag für junge Künstler?
Nicht stur sein. Nicht den Tunnelblick einschalten – das wäre ganz schlecht. Mut zur Persönlichkeit, zum eigenen Ich ist ganz wichtig. Die Einstellung: „Das ist mein Weg. Das habe ich studiert. Das will ich und das mach ich. Alles was hier oder da ist, das existiert nicht in meiner Welt“, das ist tödlich. Da bekommt man keine Chance und keine Jobs. Man sollte offen sein und ausprobieren und dann aber auch ehrlich mit sich selbst sein, wenn man etwas probiert hat und es dann anschließend nicht präferiert. Man sollte sich in der Kunst aber auf keinen Fall verbiegen, um einen Job zu bekommen. Die Versuchung ist immer da. Ich hatte selbst bis vor kurzem keine Arbeit und da macht man sich Gedanken, sich überall vorzustellen, sich die Haare abzuschneiden oder wachsen zu lassen (lacht). Aber es bringt nichts, wenn man sich verstellt. Also Mut zur eigenen Person, sich nicht einebnen und eingleichen lassen, aber bleibt offen und probiert euch aus.
Du bist ein Tausendsassa. Hast dich neben deiner Tätigkeit als Musical- und Operndarsteller auch in Heilbronn beim renommierten Weihnachtscircus, in der Rolle des Conférenciers, als feste Instanz etabliert. Wie kamst du eigentlich zum Zirkus und was ist das Besondere daran?
(schmunzelt) Also dazu kam ich eigentlich wie Maria zum Jesuskind. Als ich hier zum Zirkus kam war ich noch gar kein ausgebildeter Sänger. Das war ganz am Anfang, da war der Weihnachtscircus noch ganz klein und vorne im Foyer wurde ein Nikolaus gebraucht. Es ist hier relativ schwierig jemand zu finden, der nicht einfach den Wattebart anhängt und leidenschaftslos übergestikuliert. Bei uns aber in der Schweiz, gerade in der Region Zürich, wo ich ursprünglich herkomme, da ist Nikolaus eine ganz große Tradition – das hat einen ähnlichen Stellenwert wie Weihnachten. Es gibt eigentlich fast in jedem Ort und in den größeren Städten richtige Nikolausgesellschaften. Da besucht man wirklich dann die Familien, die das buchen können, man singt mit den Kindern, bringt kleine Geschenke und spricht mit den Familienmitgliedern. Ich mache das in dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, schon seit ich sechzehn bin und noch immer. Ich bin inzwischen der Dorfnikolaus in diesem Ort geworden und weil ich das mache, hat ein Schweizer, der damals im Weihnachtscircus die Gastronomie betreut hat, zur Direktion gesagt, dass er jemanden aus der Schweiz für diese Funktion heraussucht. Der kannte mich, weil er Jahre vorher bei meinem Vater in der Handelsschule war und hat angerufen bei uns. Ich habe dann zugesagt, was relativ idiotisch war, weil ich vor dem Weihnachtscircus die schriftlichen Abitursprüfungen hatte und anschließend die mündlichen Prüfungen. So bin ich dann mit der Literaturkiste angereist und hab zwischen Lernen, Nikolaus und Colaverkauf hin und her jongliert. Das habe ich dreimal gemacht und als dann ein Werbesprecher gebraucht wurde, weil der eigentliche Moderator das nicht machen wollte – damals wurde die Werbung noch live gesprochen und nicht schon im Studio vorproduziert so wie heute – habe ich das übernommen und dabei wohl überzeugt. (lacht) Als Schweizer hatte mir das niemand zuvor zugetraut – weil ich ja kein Deutsch sprechen konnte (lacht wieder) – im zweiten Jahr habe ich als Nikolaus noch im Opening in der Manege gestanden und musste zu Beginn auf Vollplayback, das hatte vorher jemand eingesprochen, einen Text nachmimen. 2003 habe ich dann die Funktion komplett übernommen und bin immer noch dabei. Das Besondere ist einerseits, dass man mit dem Betrieb so mitwachsen konnte. Nicht nur war ich damals noch hölzern und unerfahren, sondern auch der Zirkus drum herum war noch sehr bescheiden und das hat sich jetzt in den letzten zehn bzw. fünfzehn Jahren zu einer hochprofessionellen Show entwickelt. Das betrifft auch Licht, Ton und Orchester und so weiter. Und auch ich bin im Laufe des dann beginnenden Studiums und den folgenden Engagements gereift und „gewachsen“. Es sind auch im Zirkus noch immer die gleichen Leute und das ist toll, bei so einer Entwicklung dabei zu sein. Mir selber hat das alles sehr viel gebracht. Es ist eine besondere Form der Darstellung. Man muss ein ganzes Rund bespielen, es ist unruhig und es gilt, eine spezielle Art der Präsenz zu entwickeln. Am Anfang war ich zu wenig präsent, dann macht man zu viel weil man die Leute kriegen will, darunter leidet dann das Timing. Das habe ich im Zirkus gelernt und das bringt mir für die Bühne ganz viel. Das verstehen viele Kollegen nicht, die diese Arbeit belächeln.
In welcher Form belächeln?
Ach, schon im Studium wurde gesagt: „Ja, wenn du halt wieder im Dezember auf den Kinderspielplatz gehen musst, dann mach es halt, wenn du meinst.“ Auch in den Häusern musste ich jedes Mal um diese Zeit kämpfen. Aber da sage ich schon lange nichts mehr dazu. Auch ein Zirkus kommt ohne Subventionen aus und was die an Werbung und Öffentlichkeitsarbeit machen um präsent zu sein, nicht nur der Weihnachtscircus, auch Dinnershows , da können sich Theater eine dicke Scheibe davon abschneiden. Von mir als Darsteller verlangt der Weihnachtscircus auch doppelt so viel ab. Ich entwickele eine spezielle Form der Ausdauer. Der Rhythmus von zwei bis drei Shows am Tag, die an die drei Stunden dauern. Es ist kalt, es zieht, es ist staubig und dann hast du noch Pferdemist im Schuh. All das unter sehr schwierigen Bedingungen, in einem Gebilde aus Stangen und Planen, bei Minusgraden draußen. Da ist man im Theater sehr verwöhnt und da könnte jeder einmal etwas lernen, vor allem Bescheidenheit und zwischenmenschliche Werte im Umgang mit Menschen.
In der Manege bist du der Showmaster und im echten Leben?
(schmunzelt) Im echten Leben natürlich nicht immer, das wäre ja furchtbar. Ich kann auch privat mal der Showmaster sein und auf einer Party eine Geschichte erzählen. Aber auch der Moderator in der Manege ist eine Rolle, auch wenn ich das unter meinem eigenen Namen mache. Es ist alles immer fröhlich, überzeichnet und cool. Das ist natürlich alles eine Rolle die mir Spaß macht, da steckt auch logisch viel von mir selbst drinnen – sonst wäre sie sehr künstlich und unglaubwürdig – aber es ist und bleibt letztlich auch eine Kunstfigur. Sonst wäre ich privat ja auch nicht zum Aushalten. Die Show ist immer temperamentvoll, energetisch und gutgelaunt, aber hinten passieren natürlich auch einmal Schicksalsschläge oder man hat einen Streit und man muss halt rausgehen und „Keep smiling!“. Das habe ich auch im Zirkus gelernt. Egal was ist, wenn du im Rampenlicht stehst musst du fokussiert sein und deinen Job immer auf demselben Niveau abliefern.
Langhaarige Menschen in Growlers-Shirts hören Monologen langhaariger Menschen über Thurston Moore und die Youths zu . Die Bandmitglieder stehen in der Gegend umherschauend auf der Empore und rauchen todesmutig Zigaretten, cool sehen sie aus in ihren 60er Jahre Uniformen. Wie hält man in einem Tourbus eine beige Stoffhose so rein und glattgebügelt? Mystisch!
Noch eine Mate, wieder nach draußen, sich in dunklen Gebäuden aufzuhalten fühlt sich im Sommer irgendwie falsch an, dennoch: the show is sold out! Wer zu langsam durch die Hitze geschlichen ist, bekommt keine Eintrittskarte mehr. Fünf Euro gespart, aber was bekommt man heutzutage noch für fünf Euro? Auf jeden Fall hat man heute Abend das Gefühl mit einem Mystic Braves Konzert am Besten gehaushaltet zu haben. Die Mystic Braves werden einem vorgeschlagen, wenn man mal wieder in den Tiefen der Youtubeempfehlungen abgedriftet ist. Full Album Tame Impala führt zu Full Album Temples führt zu führt zu Full Album Allah-Las führt zu (ha natürlich!) Full Album Mystic Braves. Jedes Plattencover möchte man sich als Poster ins Zimmer heften und die flimmernden Retromusikvideos bei Hauspartys auf die Wand projizieren.
Ein Mystic Braves Album hört sich eigentlich an wie ein einziger langer gitarrenwabernder Psychedelicpop-Song. Und ein Mystic Braves Konzert irgendwie auch. Man kann sich darin verlieren und am Ende wird man nassgeschwitzt wieder ausgespuckt.
Start ohne Vorband, genügend Support erfahren sie aber durchs Publikum, was spätestens beim zweiten Song die Zaghaftigkeit verliert und mit den wirklich schönen Gitarrenlinien, dem treibenden Tambourinerasseln und den psychedelischen Orgelsounds mitgeht und tanzt. „Sweat it out man!“, schreit Julian Ducatenzeiler und sein Wunsch wird Befehl. „One more Song“, schreit es aus der Menge und auch dieser Wunsch wird Befehl. Insgesamt drei Zugaben werden gespielt, zwar nicht mehr für alle, es wird zunehmend luftleerer und somit auch leerer im Raum, Band und Besucher haben es ausgeschwitzt. Nach meinem Geschmack könnten heiße Sommertage in Dresden öfter so enden.
Kassel verwandelt sich alle 5 Jahre für 100 Tage in ein riesiges Kunstmuseum. Das Museum Neue Galerie wurde komplett leergeräumt und auch in der Stadt finden sich zahlreiche Installationen. Einige stehen seit Jahren an ihren Platz und andere sind dieses Jahr neu hinzugekommen und verändern das Stadtbild. So wie die Arbeit von der argentinischen Künstlerin Marta Minujín. Auf dem Friedrichsplatz steht eine Stahlkonstruktion verkleidet mit Büchern die irgendwo auf der Welt einmal verboten wurden. Die Künstlerin wählte die Form des Parthenon nicht nur weil Athen die Partnerstadt der diesjährigen documenta ist. Der Tempel wurde als Ort des Denkens und Austausches gebaut. Außerdem komme „all unsere Kultur aus Griechenland“, so die Künstlerin. Alle Besucher*innen können ehemals verbotene Bücher mitbringen, die so die Installation bis Ende der documenta vervollständigen sollen.
Offiziell eröffnet die Ausstellung erst heute ihre Türen. Wir hatten die Gelegenheit mit Bloggern aus Dresden und Leipzig die Ausstellung zu besuchen und auch das Konzept der Spaziergänge kennen zu lernen. Mit dabei waren Sebastian und Maureen von We should run, Alexander Nast, Mister Mathew und Annabelle sagt. Gemeinsam mit Pressevertreter*innen und der Elite der Kunstszene laufen wir durch die Räume. Auch einige Künstler*innen sind vor Ort. „Das ist Marie Cool“, flüstert unsere Choristin Karina. Sie geht gerade in eine Performance rein. Marie Cool und ihr künstlerischer Partner Fabio Balducci arbeiten vor allem mit Büromaterialien; „alles was man eben so im Schreibtisch hat, wie Tesafilm“ erklärt Karina. Licht und Langsamkeit spielen eine große Rolle in ihrer Arbeit. Das Licht strahlt durch eine große Fensterfront und Marie Cool holt den Regen von draußen durch schnelle Fingerbewegungen auf dem gespannten Klebeband akustisch nach drinnen.
Zwei Spaziergänge konnten wir auf der documenta 14 erleben. Gemeinsam mit Ann Kathrin Mogge entdecken wir die Ausstellung im Fridericianum. Mit ihrer Hilfe fangen wir an uns über die Ausstellung auszutauschen und Assoziationen zu sammeln. Die Frage wer hat eigentlich Zugang zu Museen und Kunst beantworten. Die Chorist*innen bereiten sich auf die Künstler*innen vor und können für einen Spaziergang gebucht werden. Dabei bestimmen die Besucher*innen die Laufgeschwindigkeit und die Auswahl der Objekte zu denen sie etwas erfahren möchten. „Eigentlich hatte ich nur einen Tag Vorsprung“ verrät Ann Kathrin und freut sich über den Austausch zu den Werken.
Aus einem Turm neben dem Fridericianum steigt Rauch auf. Dies ist eine Installation vom Künstler Daniel Knorr und soll zum einen ein Rauchzeichen nach Athen sein, aber auch die Idee der documenta in die Welt tragen. Die Zusammenarbeit mit Athen soll die Möglichkeit aufzeigen Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen, so der künstlerische Leiter Adam Szymczyk. Fast alle Künstler*innen haben Kunst an beiden Orten ausgestellt. So auch Kross, denn in Athen hat er Müll auf den Straßen gesammelt und sie in Bücher gepresst.
Ein Künstlerduo hat an zwei Standorten eine Bühne aufgebaut. Aber in Kassel werden sie nicht performen, verrät uns unsere zweite Choristin Karina Chernenko. Hier bleibt die Bühne leer. Die Hauptspielstätte in Athen ist das zeitgenössische Museum EMST, welches erst durch die documenta wieder eröffnen konnte, da es vorher finanziell nicht möglich war.
Performances machen Kunst erlebbar und dynamisch. Selbst am Preview Tag waren wir einige Male zufällig am richtigen Ort zur richtigen Zeit. In der documenta Halle sind 23 Meter Stoff bestickt. Die Künstlerin setzt sich darauf mit der Geschichte von norwegischen Ureinwohner*innen auseinander. Wir erleben dazu die Geschichte gesungen in der Original Sprache der Menschen die früher einmal in Norwegen gelebt haben. Bevor sie die Kirche vertrieben hat. Flucht und Vertreibung sind Schwerpunktthemen auf der diesjährigen documenta. Der irakische Künstler Hiwa K. hat an der Malertreppe vor der documenta Halle eine Installation aus Röhren aufgebaut und Bedürfnisse von Menschen in diese Röhren eingebaut. Es gibt Rückzugsorte, ein Badezimmer, Zugang zu Wissen, Unterhaltung und Sport. Allgemein repräsentieren die Röhren Lebensraum. Sie sind aber räumlich voneinander getrennt und so schmal, dass niemand darin längerfristig Leben möchte. Der Künstler hat dies auf seiner eigenen Flucht aus dem Irak aber getan und hat so eine ganz persönliche Verbindung zu seinem Werk.
Kassel möchte Weltausstellung sein. Wir sahen Kunst aus Senegal, Argentinien, Chile, USA und Lappland. In der Location Neue Hauptpost ist besonders viel indigene Kunst zu sehen. Spiegelt sich die internationale Ausrichtung auch bei den Besucher*innen der documenta wieder? Wir stehen wieder vor der Frage vom Anfang. Wer hat eigentlich die Möglichkeit Kunst zu sehen, zu erleben und zu verstehen? Die Spaziergänge bieten eine tolle Möglichkeit an Hintergrundinformationen zu kommen, bieten aber auch eine finanzielle Hürde. Ich würde mir wünschen, dass im Sinne des Audience Development Ansatzes auch Menschen Zugang zu den Werken bekommen, die sonst keinen Zugang zu Kunst und Kultur haben. Ist das von der documenta überhaupt gewollt? Reichen dafür Installationen in der Innenstadt aus? Ab heute wird die Schlange vor dem Eingang nicht mehr so kurz sein und die Besucher*innen müssen sich das Privileg des Kunstkonsums mit vielen anderen Menschen teilen. Die Dezentralisierung des Standortes nach Athen ist ein politisches Statement. Auch die überwiegende Ausstellung von nicht europäischen Künstler*innen und weniger etablierten auf den Kunstmarkt ist eine Öffnung der Kunst.
Hier geht es zum Beitrag von We Should Run.
Weiter zum Beitrag von Mister Mathew.
Annabelle sagt – hier lang zu ihrem Beitrag.
Video Blogger Alexander Nast hat über den Tag eine Instagram Story gedreht:
Dresden im Jahr 2037: In der tolerantesten Stadt Europas herrscht ein interkulturelles Miteinander – Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen leben friedlich zusammen, Rassisten versinken in Depressionen und Lutz Bachmann trifft sich wöchentlich im Hammām mit seinen muslimischen Freunden. Das Stück Homohalal baut auf der Begegnung von fünf Freunden auf, die sich aufgrund eines unerwarteten Ereignisses wiedertreffen. Gemeinsam werfen sie einen Blick zurück aus der Zukunft auf ihren Weg der letzten 20 Jahre – auf Integration mit „Mensch ärgere Dich nicht“ und Nachhilfe im Kapitalismus mithilfe von Monopoly. Trotz der überspitzten Darstellung bleibt die Eindringlichkeit des Inhaltes und der Appell an das Publikum nicht aus. Etwa zur Hälfte des Stückes wird aus Humor und Sarkasmus Wut und Ernst. Eine Wendung, die Gänsehaut hinterlässt.
Mit seiner bissigen Komödie greift der syrisch-kurdische Autor Ibrahim Amir Klischees und Vorurteile auf und hält der Gesellschaft einen Spiegel vors Gesicht: ironisch, durchdacht und unbequem.
Dass das Staatsschauspiel ein Stück mit dieser Problematik in eine so polarisierte Stadt wie Dresden holt ist gewagt, aber notwendig. Tatsächlich sollte Homohalal ursprünglich am Volkstheater in Wien uraufgeführt werden. Bedenken bezüglich politischer Korrektheit ließen die Aufführung des Stückes kurz vor der Premiere platzen. Zwei Jahre lang hat Ibrahim Amir den Inhalt gemeinsam mit Geflüchteten und Aktivisten erarbeitet. Fast ein weiteres Jahr arbeitete der Autor anschließend mit dem Staatsschauspiel Dresden zusammen, um das Stück in seiner jetzigen Form auf die Bühne zu bringen.
Homohalal beeindruckt in seinen knapp 90 Minuten vor allem mit der Reflektiertheit, mit der an komplexe Themen wie Familie und Sexualität aus der Sicht unterschiedlicher Kulturen herangegangen wird. Doch nicht nur inhaltlich stimmt es auf der Bühne: Mit viel Charme leitet Rouni Mustafa, der bereits in Morgenland und Romeo und Julia zu sehen war, das Stück ein und erzählt als Geflüchteter seine persönliche Geschichte. Seine Authentizität gibt dem Zuschauer das Gefühl, das es in Ordnung ist, sich mit ihm auf diese Reise durch das Stück zu begeben und trotz allen Ernstes auch mal darüber zu lachen zu können. Ebenfalls sehr gelungen sind die Darstellungen von Holger Bülow als Syrer Abdul mit sächsischem Dialekt und einer wie immer wunderbaren Anna-Katharina Muck als überengagierte Integrationshelferin.
Homohalal lässt den Zuschauer mit dem Wunsch zurück, dass ein kleines Stück der anfänglichen Utopie doch bleiben könnte. Dass man in zwanzig Jahren mit einem Kopfschütteln auf die Angst vor Fremden zurückschaut und die Toleranz gegenüber Religionen und fremden Kulturen in Deutschland genauso selbstverständlich ist, wie der Anblick von Socken in Sandalen im Sommer.
Ihm schmeckt die Sprachästhetik Klabunds ebenso gut wie in Honig marinierte Geflügelleber. Seiner Ansicht nach ist die Menschlichkeit ein unantastbares Gut, bei weitem höher als die Selbstdarstellung. Fernab der Bühne huldigt er dem Müßiggang. Die Muse des Familienmenschen ist der Mensch in aller seiner Facetten.
Der im Jahr 1961 geborene Andreas Posthoff stammt ursprünglich aus Wanne-Eickel im Ruhrgebiet und entdeckte schon in frühen Jugendjahren seine Passion für das Figurieren von Rollen. Diesen Wunsch lehnte seine Mutter allerdings ab, war es doch gerade sein Vater, der dem Berufsbild der Schauspielerei nachging und Posthoffs Mutter nach der Geburt verließ. Vielleicht als Trotzreaktion sah sich Andreas Posthoff dennoch zu dieser Aufgabe prädestiniert und beschloss mit 17 Jahren, zumindest in beruflicher Hinsicht, auf den Spuren seines Vaters zu wandeln. Sein anschließendes Studium absolvierte er in Stuttgart und ist seitdem überwiegend im Württembergischen Raum tätig. So erlebte er in seiner nunmehr 40-jährigen Laufbahn sämtliche Höhen und Tiefen, die mit dem darstellenden Gewerbe verbunden sind.
Heute lebt er zusammen mit seinem Sohn in der Kätchenstadt Heilbronn und ist derzeit Ensemblemitglied auf dem Heilbronner Theaterschiff. Ferner unterrichtet er zudem an lokalen Bildungseinrichtungen und vermittelt schauspielerische Grundlagen.
Andreas, du bist nun schon lange im Business – Beruf oder Berufung?
Ich glaube jeder Beruf ist eine Berufung. Ich habe Schreiner und Metaller kennengelernt, egal aus welchem Bereich, die haben ihren Beruf mit einer so großen Leidenschaft ausgeübt, als sie beispielsweise vor ihren Maschinen standen oder sich mit hunderten Holzsorten befassten. Meiner Meinung nach, sollte sich jeder der einen Beruf nachgeht, auch zu diesem berufen fühlen, sonst macht das alles keinen Sinn.
Welche Rollen waren für dich die Ergreifendsten in deiner Karriere?
Ja, da gibt es verschiedene Dinge. Wir haben einmal einen Rückblick auf das 20. Jahrhundert gemacht und da habe ich den Goebbels gesprochen. »Biedermann und die Brandstifter« war für mich eine ganz, ganz wunderbare Geschichte. Wobei ich es natürlich auch sehr gerne mag, wenn die Leute über mich lachen (schmunzelt). Sie müssen nicht immer im Herzen zutiefst gerührt sein, ich schätze die befreiende Geste des Lachens im Publikum ebenso wie die Ergriffenheit.
Wie bereitest du dich auf deine Rollen vor?
Als aller erstes sehe ich – sehen und hören. Wir sitzen gerade in einem Café und nun beobachte ich die Leute, wie sie miteinander kommunizieren und interagieren. Das ist dann für mich immer ein Beispiel, an das ich mich zu erinnern versuche, wenn ich eine Rolle bekomme. Das Gesehene versuche ich im Sprechen und Spielen unterzubekommen. Es heißt ja auch Schauspiel – Schauen und Spielen. Die Leute sind so grandios verschieden, ihre Mimik, ihre Gestik, ihre Bewegungen und die Töne, die sich von sich geben, werden durch Überhöhung auf der Bühne zur Kunstform. Das Tolle am Schauspielen ist ja, dass man nicht nur die Leute zum Vorbild nehmen kann, sondern man kann sich auch mit sämtlichen Thematiken beschäftigen: Kostümkunde, Kulturgeschichte, Furz und Feuerstein (lacht).
Gibt es Rollen die du noch unbedingt verkörpern möchtest?
Ach ja natürlich, also klar den Faust in »Faust«, den täte ich mal ganz gerne spielen, aber meinetwegen auch »Warten auf Godot« und solche Sachen, die interessieren mich brennend und wahnsinnig.
Emotionen auf der Bühne – reine Schimäre oder scheinbar reales Empfinden?
Deswegen nochmal, es heißt ja Schauspieler und nicht Schauseiner. Schau mal, das Leben ist ja auch so bunt. Manchmal ist es tragisch, manchmal ist es heiter. Abends aber da sitzen Leute, die haben einen Haufen Geld bezahlt, haben sich schick gemacht und haben sich verabredet. Die Kunst liegt in der Wiederholung, das heißt, in diesem Augenblick ist der Körper ein Instrument. Worauf es ankommt ist, dass ich unten, in den Zuschauerrängen, Emotionen wecken kann. Was ich oben, auf der Bühne, fühle interessiert keinen. Egal ob ich mich zuvor verliebt habe oder ein Angehöriger verstorben ist. Da sitzen 800 Leute, die interessiert mein innerer Gefühlzustand nicht, die wollen die Verkörperung meiner Rolle sehen und nichts Anderes. Das ist wie beim Musiker der eine Partitur bedient – mit etwas Glück kommt dabei Kunst heraus.
Hast du etwaige Bühnenrituale oder sich stetig wiederholende Abläufe vor einer Vorstellung?
Ich habe es vorher ganz gerne ruhig und gehe so anderthalb Stunden vor der Vorstellung auf die Bühne – schaue und schnuppere. Dann muss ich noch meine Requisiten richten, falls das nicht schon erledigt ist, Text anschauen – normal – und laufe mich ein. Alles im Allem habe ich keine großen Rituale. Zurzeit gönne ich mir vorher noch ganz gerne eine Currywurst (lacht).
Was ist deine Lieblingsanekdote aus deiner Laufbahn, hast du da eine?
Ja, ich habe mal den Peppone, bei »Don Camillo und Peppone« gespielt und beim Lernen des Textes habe ich mir schon gedacht, da musst du aufpassen. Da sagt der Peppone: »Der Pfaffe braucht eine Abreibung«. Was sagt der Posthoff: »Der Pfaffe braucht eine Abtreibung«. Dann dreht sich der Kollege ganz verlegen herum und du merkst in Sekundenbruchteilen: »Oh man was hast du da herausgehauen«… Ich weiß nicht wie viele Leute das gemerkt haben, doch das war einer der Momente, an denen ich mir überlegte, wie wäre es mit einer einsamen Insel und zwar sofort. Aber ich glaube, das kennt jeder Kollege, wenn man sich mal so richtig verhakt. Natürlich kann das passieren, sollte es jedoch nicht, aber später lacht man darüber, obgleich man im Moment am Liebsten im Boden versinken würde. Fehler sind eben menschlich.
Jetzt, da wir bei der Menschlichkeit gelandet sind, ist es interessant zu wissen, wie es mit diesem Werteideal am Theater aussieht?
Wenn wir doch auf der Bühne die Menschlichkeit in all ihrer Vielfalt verkörpern, dann sollten wir diese doch auch im privaten Leben und Berufsalltag beherzigen. Natürlich ist das Theater eine Kunstform mit sehr vielen schrägen und ausgeprägten Charakteren, von daher ist schon einmal eine große Rücksichtnahme erforderlich. Jeder sollte so sein wie er ist, ohne Schwierigkeiten zu bekommen, es sei denn er ermordet jemanden oder wird ansonsten irgendwie handgreiflich (augenzwinkernd). Ein Haus muss meiner Ansicht nach von der Putzfrau bis zum Intendanten auf der menschlichen Ebene funktionieren. Ich denke ihr wisst was ich meine.
Dies entspricht aber sicherlich nicht immer der Realität!?
Korrekt. Es gibt am Theater etliche unauserkorene und auserkorene Eitelkeiten. Manchmal erfordert es schon Langmut und ein großes Maß an Menschlichkeit, um diese Schrullen zu ertragen, wobei mir das meistens gelingt. Ab und an ist es aber auch erforderlich, dass man laut wird und die Hutschen hochziehen muss, aber das ist zum Glück die Ausnahme.
Du bist derzeit Ensemblemitglied auf dem Heilbronner Theaterschiff, was ist die Besonderheit an dieser Spielstätte?
Die Menschlichkeit! (lacht). Es sind aber natürlich auch wunderbare Räumlichkeiten. Die Arbeit macht enorm viel Spaß, wir verstehen uns prima und ich freue mich auf jede Vorstellung. Mit Heinz Kipfer haben wir einen großartigen Intendanten, der seit 20 Jahren dies alles pflegt und erhält, da kann ich nur Chapeau sagen und meinen Hut vor ihm ziehen.
Was hältst du von der Politisierung des Theaters?
Zurecht, Theater ist immer politisch.
Sollte dies auch offen gezeigt werden oder metaphorisch verpackt werden?
Solange die Metaphorik erkannt wird ist dies gut. Da ich doch den Eindruck habe, dass dies zu selten der Fall ist, muss man manche Inhalte sehr plakativ äußern um sie klarzustellen. Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs verstanden es die Leute, die im Osten lebten, noch besser Botschaften zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören – in Westeuropa war dies immer ein Defizit. Ich wünsche mir wieder mehr Verständnis für die Metaphorik, damit kann man mehr künstlerisch arbeiten und hat mehr Raum für die eigene Kreativität. Gerade die Filme »Danton« und »Nostalghia« stammen aus ebenjener Zeit und wurden trotzdem verstanden, obwohl sie nicht mit der Moralkeule drohen. Auch die Komödie ist politisch, die Leute wollen lachen und sich vom Alltag befreien.
Was ist dein Ausgleich zum Theater?
Mal einen Kaffee trinken, auf dem Sofa liegen, dann fotografiere ich ganz gerne, male, lese und schaue Filme, wenn es die Zeit hergibt. Außerdem habe ich noch meinen Sohn, der »bevatert« werden möchte. Zur Lebensentspannung koche ich, kaufe auf dem Markt ein und halte dort mein Schwätzchen. Was ich nicht so gerne mag sind Steuererklärungen (lacht).
Du arbeitest in vielerlei Hinsicht mit Schülern, was ist das Besondere an dieser Tätigkeit? Gibt es auch Schwierigkeiten Schülern Theater zu vermitteln?
In der Tat hat sich in den letzten 20 Jahren sehr viel verändert. Vor 15 Jahren hatten die Kinder noch mehr Eifer, Kreativität und haben für das gebrannt, was sie faszinierte. Heute erwarten sie bedauerlicherweise oft Befehle, man muss ihnen alles vorkauen – ich vermisse die Eigeninitiative. Die Ursache hierfür liegt auch an unserem Schulwesen – der Raum für eine Selbstentfaltung fehlt. Wir haben mittlerweile wieder Verhältnisse wie zu Zeiten des Kaisers Wilhelm I. Das Denken wird nicht geschult, worauf es ankommt ist letztendlich die gute Note im Endjahreszeugnis. Heutzutage sind wenige bereit zu kämpfen, Kopf und Kragen zu riskieren und sich für eine Sache begeistern zu lassen, auch wenn man mal die eine oder andere Grenzüberschreitung riskieren muss.
Mich freut vor allem, wenn sich der eine oder andere im Unterricht verwandelt und seine ungeahnten Fähigkeiten erkennt. Es sind zudem absolute Glücksmomente, wenn man dann mal einen ehemaligen Schüler als Kollegen wiedertrifft. Insgesamt ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aber sehr erfüllend.
Du engagierst dich auch ansonsten im sozialen Bereich. Was sind deine aktuellen Projekte?
Ich bin in einer Pfadfindergilde, obwohl ich eigentlich gar keiner bin. Wir unterstützen Hilfsprojekte in Burkina Faso, beispielsweise eine Krankenstation. Zudem finanziert unsere Organisation den Bau eines zweiten Regenauffangbeckens mit angegliederten Zellen, die dem Anbau von Obst und Gemüse dienen. Dies hilft insbesondere den Frauen und stärkt deren Eigenständigkeit. Weiterhin ermöglichen wir den Kindern den Schulbesuch. Das Besondere ist, dass das Projekt nur in den Bezirken unterstützt wird, in denen Christen und Muslime friedlich zusammenleben – das gibt es auch und es funktioniert blendend.
Gehst du auch privat ins Theater, wenn es die Zeit hergibt?
Relativ selten und nur auf ausdrückliche Empfehlung oder wenn ein befreundeter Kollege auf der Bühne steht.
Im April fand im Festspielhaus Hellerau der Lichtdesign Workshop von Katarína Ďuricová & Tomáš Morávek statt. Beide sind großartige und sehr gefragte Lichtdesigner/Techniker aus der Slowakei. Sie arbeiten mit bekannten Festivals zusammen und entwickeln große Projekte.
Ich habe viele Eindrücke und Informationen über Licht mitgenommen. Ich als Anfänger hatte erste Startschwierigkeiten in die „Materie“ einzutauchen, da ich den ersten (theoretischen) Tag nicht da war, aber alle anderen haben sich sehr gut zurecht gefunden und die beiden Workshopleiter standen einem für jede Frage zur Verfügung und haben immer tolle Tipps gegeben. Beim Scheinwerfer ausprobieren haben sie nicht nur in der Ecke gestanden und gesagt: „Los probiert mal aus!“, sondern genauso interessiert das Licht entdeckt und uns gezeigt was man mit dem Licht noch machen kann und von wo es besonders schön aussieht.
Bei der freien Arbeitszeit waren Tomáš und Katarína sehr interessiert und überrascht/begeistert von unseren Ergebnissen. Wir haben das Licht mit und ohne Nebel beobachtet und als abschließende Aufgabe sollten wir selber mit dem Licht arbeiten. Uns wurde komplett freie Hand gelassen außer die Anzahl der Lampen und die Vorbereitungszeit. Wir haben dann aus einem von uns gewählten Thema selber spannende Lichtinstallationen aufgebaut. Diese waren sehr unterschiedlich und hatten trotzdem einige Gemeinsamkeiten. In dem einen wurde das Thema Stadt umgesetzt indem ein weißer Vorhang in den Raum gehängt wurde und dieser von beiden Seiten mit verschiedenen Mustern, Lichtern, Farben,… bestrahlt wurde. Wenn jemand auf der einen Seite des Vorhangs stand hat man den Schatten von ihm gesehen aber andersherum nicht aber die Lichter auch einfach nur auf dem Vorhang zu beobachten und zu sehen, wie die anderen auf die Installation reagieren war sehr spannend. In der anderen Installation wurde das Thema Natur und Wald aufgegriffen dafür haben wir mit grünen, blauen und gelben Lichtern gespielt und sie einfach in den Raum leuchten lassen. Die Lichter wurden heller und dunkler, sie haben sich abgewechselt und so gab es immer etwas neues zu entdecken. Es waren aber beides Installationen, welche zum betreten und entdecken, zum staunen und ausprobieren entwickelt wurden.
Hier meine Gedanken und Eindrücke und ein paar Bilder.
Mittwochabend in der Schauburg, der große Leone-Saal ist sehr gut gefüllt. Um mich herum Menschen, die von ihrer letzten Reise erzählen oder ihre Pläne für die nächste offenbaren. Zur Einstimmung auf die weite Reise zeigt die Schauburg das Musikvideo von Ezé Wendtoin „Daheeme“Reisen und Heimat sind ja irgendwie immer sehr eng miteinander verbunden. Jeder Mensch ist auf der Suche und Reise seine Heimat zu finden, doch oft hilft es erst einmal loszuziehen, fort von allem Vertrautem und Gewohnten, ab in das Ungewisse und Neue.
Patrick und Gwen aus Freiburg machen es auf ihre eigene Art und Weise vor und lassen uns in diesem Film an ihren Erfahrungen teilhaben. Von Deutschland nach Indien, ohne die Erde zu verlassen, im ständigen Kontakt zum Land oder Wasser, nie fliegend, bepackt nur mit dem Nötigsten in zwei großen Rucksäcken, viel Zeit und dem Versuch, am Tag mit 5€ auszukommen, geht es 2013 los. Von Freiburg aus, wollen sie so weit in den Osten gehen, dass sie vom Westen wieder nach Hause zurückkehren. Per Anhalter reisen sie los, über den Balkan nach Moskau. Dann weiter durch Zentralasien und den Kaukasus. Permanent im unmittelbaren Kontakt zu den Menschen, eingetaucht in die Kultur. Durch Pakistan, Indien, Nepal, das Karakorum- Gebirge und die Mongolei. Sie reisen per Anhalter und schlafen in ihrem kleinen Zelt, arbeiten in Projekten, schlafen auf den Sofas von Couchsurfern.
Dann in Sibirien die Überraschung: Gwen ist schwanger. Kurzerhand werden neue Pläne geschmiedet, eine Kajüte auf einem Containerschiff von Japan nach Mexiko gebucht und ab dem Frühjahr 2015 geht die Reise zu dritt weiter. Die Art der Reiseform ändert sich somit im Vergleich zum ersten Jahr. Die junge Familie legt sich einen alten Bus an, mit dem sie ein Jahr lang durch Mittelamerika reisen, um sich als Familie kennenzulernen
Die 1200 Kilometer von Barcelona nach Freiburg werden zur letzten Reiseetappe. Ein letztes Mal ändert sich ihre Art des Reisens, sie schnallen sich wieder die Kraxen auf die Rücken und laufen dreieinhalb Monate durch Europa und stetig heimatlichere Landschaften
Die Reise ist eine Geschichte über Vertrauen, über Loslassen und sich „Darauf-einlassen“. Ein Geben und Nehmen. Über Grenzen, die meist nicht bei Begegnungen mit Menschen und in deren Köpfen, sondern vor allem an den Landesgrenzen und bei Behörden auftauchen oder dem eigenen Durchhaltevermögen und über Heimat. Der Film strahlt Lebensfreude und Neugier aus, er ist ein traumhafter Beweis für Freundschaft, die über jeglichen Differenzen, seien es Länder, Sprachen oder Kulturunterschiede hinwegsieht.
Die Bilder rasen nur so an dem Zuschauer vorbei, das erste halbe Jahr der Reise ist in einer halben Stunde des Films erzählt. Es ist anstrengend, die lauten, bunten, ja schrillen Farben Indiens zu sehen, doch es kommt ein Schnitt und in der nächsten Sequenz sitzen die beiden wieder im Wald vor ihrem Zelt und es herrscht absolute Stille. Es sind auch diese extremen Gegensätze, die den Film sehr kurzweilig machen.
Der Film zeigt, dass nicht immer alles so klappt, wie man es sich vorgestellt hat und das manchmal gar keine konkrete Planung die Beste ist.
Am Ende des Films fühlt man sich den beiden Filmemachern unglaublich nahe. Man hat das Gefühl, die beiden in den letzten 2 Stunden gut kennengelernt zu haben. Nachdem der Applaus verklungen ist, beantworten Gwen und Patrick den Zuschauern in der Schauburg selbst die neugierigsten Fragen zur Hausgeburt in Mexiko mit einem Lachen und sympathischem Humor.
Für alle Reiselustigen, Weltenbummler, Aussteiger und alle die von Abenteuerreisen träumen: der Film läuft ab nächster Woche täglich in der Schauburg.Weitere Termine
Für alle, denen der Film zu schnell durch die einzelnen Länder rannte, der kann sich danach auf der Website den Rest des Filmmaterials ansehen und genauere Eindrücke der Länder bekommen.