Am Sonntag, dem 26.11.17, drängten sich die Besucher im Foyer des Kleinen Hauses 1, um die Uraufführung des Stücks „Parole Kästner!“ zu besuchen. Doch wer war dieser Kästner wirklich? Und warum konnte er sich so gut in Kinderköpfe denken und in Kinderherzen schreiben?
Das Licht geht an. Sechs kleine Erichs stehen auf der Bühne. Sie rauchen, trinken Whiskey, sinnieren über Literatur, aber stellen sich vor allen Dingen die Frage: „Wer ist Erich Kästner?“
Matthias Reichwald betritt die Bühne. Gleich von Anfang an stellt er klar, was einen an diesem Abend erwarten wird: keine sinnhaften Schwerpunkte, linearen Handlungsstränge oder ein befriedigendes Ende.
Und doch beginnt alles ganz am Anfang: in Erichs Kindheit.
Es folgt eine Art Revueabend. Kleine Blitzlichter, gespielte Szenen und stimmungsvolle Momente sind immer wieder von Reichwalds Erzählpassagen und musikalischen Einlagen am Klavier durchzogen.
Die sechs Kinderdarsteller, die für dieses Projekt gecastet wurden, harmonieren dabei wunderbar mit Reichwalds Kästner und werden mal zu seinen Spielkameraden, seinen Eltern, Affären, Dresdner Gebäuden, Nationalsozialisten.
Immer wieder entsteht eine Art Collage – Monologe überlagern sich mit Zitaten Kästners und den turbulenten Geschehnissen auf der Bühne.
Kleine gespielte Szenen geben dabei Einblicke in Kästners Leben und Gefühlswelt. Der Zuschauer bekommt an diesem Abend die Gelegenheit, einen langen Blick auf den Mann hinter dem Kultautoren zu erhaschen, ihn mal ganz privat zu erleben.
Rasant springt das Geschehen von den Problemen des Kästnerschen Elternhauses, zu seinen Studentenjahren, über beide Weltkriege, den Nationalsozialismus bis hin zu seinem Lebensabend.
Auch das Bühnenbild verändert sich ständig und wird zum Kinderzimmer, Kriegsschauplatz und schließlich zu Kästners Altersstube.
„Parole Kästner!“ bleibt aber nicht beim rein banalen „Abklappern“ Kästners Lebenslaufes, sondern wird zu einem Stück Dresden- bzw. Menschheitsgeschichte. Es handelt von Heldentum, Krieg, Mut, Politik und einem Humoristen, der sein ganzes Leben gegen die Trägheit des Geistes anschrieb.
Dieser Revueabend ist unterhaltsam und bewegend und schafft es den Großteil der Zeit, das Publikum zu fesseln und mitzureißen.
„Parole Kästner!“ inszeniert den Autor als ein Kind aber auch ironischen Kritiker seiner Zeit, die von Katastrophen, politischer Umwälzung und den menschlichen Abgründen geprägt war. Und es zeigt sich auch, dass das Vermögen sich in Kinder hineinzuversetzen, wenig damit zu tun hat, wie gut man im echten Leben mit ihnen umgehen kann, sondern inwieweit man sich trotz entbehrlicher Zeiten das innere Kind und dessen Imagination bewahren konnte.
Während des Festivals „Rekonstruktion der Zukunft“ (17.10.-11.11.2017) im Festspielhaus HELLERAU stand in den letzten Wochen eines im Mittelpunkt: die Bühne. Die Rekonstruktion der historischen Appia-Bühne zog tausende Besucher aus der ganzen Welt in die Gartenstadt.
In der Presse wurde sie oft als Protagonist des Festivals bezeichnet, doch was wäre, wenn sich diese Bühne äußern könnte? Welche Geschichten hätte sie zu erzählen?
Eine Personifikation auf die Spitze getrieben.
Dies ist die Geschichte meiner Heimkehr.
Geboren wurde ich 1912 aus dem Zusammentreffen zweier Männer – Adolphe Appia und Emile-Jaques Dalcroze in der damaligen Rhytmiktanzschule in Hellerau, am Rande von Dresden.
Anfangs war ich nur ein Gedanke. Ein kleiner Funke im Kopfe meines Vaters. Der Wunsch das Theater zu einem realen Ereignis zu machen, das man erleben konnte, statt zu einer Illusion, der man sich hingab.
Zuerst kam ich als Zeichnung auf die Welt, Graphit auf großen schweren Papierbögen. 1912 dann wuchs ich zu meiner eigentlichen Größe heran und mein Vater nistete mich im großen Saal der Rhythmiktanzschule Hellerau ein und nannte mich „Rhythmischen Raum“. Ich war nicht wie all die anderen Bühnen damals, ich war nicht reich verziert, nicht vollgestellt mit Tischen, Stühlen, unechten Bäumen, pompös gekleideten Darstellern, war nicht umrahmt von Stuck oder von einem Vorhang verdeckt. Überhaupt war ich gar nicht von den Menschen getrennt, die kamen um mich zu betrachten. Sobald sie mich betraten und sich auf ihre Plätzen begaben, wurden sie ein Teil von mir und allen Geschehnissen auf mir.
Viele Menschen damals fanden mich befremdlich, seltsam und ungewöhnlich – es gab die verschiedensten Reaktionen auf mich. Ich war zu weiß, zu rein, zu abstrakt, zu minimalistisch – all diese Vorwürfe musste ich mir anhören. Das alles hat mich aber wenig gestört, da ich die ganze Zeit wusste, dass ich ins richtige Licht gesetzt wurde. Alexander von Salzmann sorgte dafür, dass ich nicht einzelnen Scheinwerfern und Leuchten geblendet wurde. Durch sein Licht konnte man mich schattenfrei in meiner Gänze erkennen, ohne dunkle unbeleuchtete Ecken, in denen die Darsteller bei Bedarf verschwinden konnten.
Hinzu kommt noch, dass ich extrem wandelbar war. All meine Glieder und Elemente ließen sich neu anordnen.
Nachdem meine Geburt solch ein Aufsehen erregt hatte, verschwand ich nach 1912 von der Bildfläche. Keiner weiß genau, was damals mit mir geschehen ist. Doch wer glaubt, dass meine Geschichte damit endet, der hat sich gewaltig geirrt.
Ich lebte weiter. Viele Spielstätten brachten Bühnen nach meinem Vorbild auf die Welt. Jahr für Jahr verstrich und ich lebte weiter. In den Universitäten wurde von mir und meinem Vater berichtet, die Schauspielhäuser inszenierten nach meinem Abbild, die moderne Theaterwelt sprach von mir und immer wieder von mir und von den Menschen, die damals kamen um mich zu sehen – Rilke, Kafka, Van de Velde, Mann.
Schließlich als alle tot waren, die mich jemals mit eigenen Augen erblickt hatten, als ich nur noch in den Köpfen der Menschen, in widersprüchlichen Berichten und auf schwammigen Fotos und natürlich den Zeichnungen meines Vater existierte, beschloss meine Geburtsstätte mir neues Leben einzuhauchen. Die alte Rhythmiktanzschule, in deren Laboratorium der Moderne ich erdacht und ausgeklügelt worden war, war nun nach hundert Jahren zu einem Zentrum der Künste geworden. Dort wurde ich 2017 zu neuem Leben erweckt. „Rekonstruktion der Zukunft“ nannten sie meine Wiedergeburt und die Menschen kamen aus der ganzen Welt um mich zu sehen.
ON THE 23th APRIL 2017 , A SUNDAY EVENING OR RATHER A SUNDAY NIGHT, WE SAW A MAN BEHIND SHADOWS AND A GIRL WITH A STRONG VOICE: FIL BO RIVA WITH LISA MITCHELL AT THE GROOVESTATION
The Grooves‘ Station
For the newcomers in the city of Dresden or for those who are not very active once the sun goes down, Fil Bo Riva’s concert was the perfect opportunity to discover the famous GrooveStation. From an almost empty bar around 8 o’clock – understandable as the days are getting longer and people less inclined to show up on time – it turned into a jam-packed, colourful nightclub by the time the singer appeared on stage. And he eventually appeared. In the meantime the growing audience could enjoy the soft but confident voice of Lisa Mitchell, the sadness, happiness and honesty of her songs, which allowed us to enter the privacy of her world. Alone on stage, guitar in the hands, she sang a few of her love stories, a mix of folk and indie pop, and a slight British touch. The lyrics are often very simple, sometimes even resembling lullabies, but the charm of her voice and the sincerity of her words appealed to us. The soothing and flowing atmosphere lingered on for a while after Mitchell left the stage, a good time to get one more drink and chat a little. Too bad it took so long for Fil Bo Riva’s concert to start. Full glasses in the hands, cigarettes smoked, the audience was starting to lose patience. It did not stop the crowd to get bigger and bigger and at some point I even wondered if the walls just moved and the room expended as it looked so different from the empty bar I entered less than two hours before.
The Appearance
And he appeared. Without even seeing him on stage, one understood that something was happening. Voices of obvious fans were getting louder, people started to wriggle, fog and smoke filled up the room and bright colours finally lit up the singer. With a laid-back attitude and a deep, raspy voice he immediately seduced his audience which started to dance and follow the beats of the drum and the sensuality of his voice. The 24-year-old ventured a few unintelligible jokes which only the fans facing him appeared to understand. He kept the excitement on the edge with abrupt song endings, mixing beats and dynamics with softer and melancholic rhythms.
The jam-packed room did not allow much dancing so for those who wanted to relieve themselves of the week’s stress and unleash their passions on the dance floor, the concert was a perfect way to start the night and get ready to dive into the next clubbing atmosphere.
Groove station: Good for chilling and having a drink at the bar, as well as for smaller „one person on the stage“ concerts or sweaty audience and band connections but too small for Fil Bo Riva, I guess it would have been better for his poetic performance to have a little distance with the audience.
Fil Bo Riva: A talented young guy from Rome, Dublin and now Berlin. My expectations were not met, live not so „blow me away“ like in stereo, a little bit disappointing in that way.
Lisa Mitchell: A girl from Down Under, nice voice and honest lyrics, once a participant of the show Australian Idol (by the way), I want to see her again!
AM 21. MÄRZ WAREN BLOND ZU GAST BEI MAX RADEMANN IM DIENSTAGSSALON. EINE JUNGE BAND AUS CHEMNITZ , DIE GAR NICHTS MIT KRAFTKLUB ZUTUN HAT: ZWISCHEN SOFTPUNK UND KARAOKE HIPHOP, GESPRÄCHE ÜBER LÜGEN UND ZAHNSCHMERZEN: WIR WAREN DABEI.
Drei Runden fährt der weiße Van auf dem Vorplatz von HELLERAU, bevor er sich eine Richtung aussucht, um dann wieder umzukehren und wieder umzukehren, bevor er stehen bleibt. Das passt doch, sage ich mir, sehr gut zu BLOND. Und tatsächlich: ein Chemnitzer Kennzeichen lächelt mich am 21.März, 16:30 durch die Fensterscheiben meines Büros an wie ein alter Bekannter aus den wilden Jahren meiner Jugend; mir wird warm ums Herz.
Voll Lek
Geschwister, die kann man sich nicht aussuchen, aber Johann(Guitar, Keyboard, Gesang), Nina (Gesang, Guitar, Keyboard, Tanz) und Lotta (Rap, Schlagzeug, Tanz), die mehr Geschwister sind als Geschwister, hätten sich bestimmt auch ohne Papa oder Mama ganz gut verstanden: im Kinderzimmer auf Pappgitarren und Pappschlagzeugen, so erzählen sie es Max Rademann, haben sie schon immer Musik gemacht, bis sie sich 2011 endlich entschlossen, es in die Welt zu gebären. Und sie nannten es BLOND. Das klingt dann ungefähr mal nach Softpunk, Indierock oder auch mal HipHop, oder wie sie sagen würden: voll lek*. Denn auch das machen sie: die Altersgenossen mit ihren Wortneuschöpfungen beglücken, wir drücken die Daumen, dass es für das Jugendwort 2017 reicht: voll lek [foll leck] ugs. für sehr gut (spread it!).
Romantischer Regen
Max Rademann moderiert und inszeniert schon seit 6 Jahren den Dienstagssalon im EZK HELLERAU, zu dem er monatlich Musiker zu sich auf die Bühne einlädt um zu plauschen und ein wenig Musik zu machen. Meistens bekommt er Vorschläge, wer denn als nächstes bei ihm zu Gast sein könnte, doch manchmal, wie bei der jungen Band aus Chemnitz, lädt er auch selbst ein: etwas ganz besonderes also, öfter als einmal bedankt er sich bei den drei hübschen Blonden, dass sie gekommen sind. An diesem Abend wirkt Herr Rademann etwas neben der Spur, redet oft um den heißen Brei herum: ist er aufgeregt, immerhin der erste Salon 2017, dann noch drei charmante Gäste, ein voller Saal. Oder doch die Zahnschmerzen, die ihn plagen, wie er dem Publikum verrät? Es bleibt offen, manchmal gelingt ihm auch der ein oder andere hübsche Satz, wie als er den Applaus mit dem Regen vergleicht- „…aber kein melancholischer, sondern so romantisch.“.
Heißer Merchandise
Und so kann man auch den Abend beschreiben: das Licht und die Einrichtung, das gemischte Publikum, sowie die lockere Art der Band zaubert einen gemütlichen Abend, der einen erfüllt Nachhause gehen lässt: und wenn einem die Band gefällt, dann konnte man auch ihre EP erwerben, mit hübschen Kinderfoto vorne drauf und Bonustrack, auf dem die Nummer des BLOND- Sorgentelefons vorgesungen wird. Kritik, das sei ihnen wichtig: sie wünschen sich mehr davon und bemängeln die Aussagekraft von Hasskommentaren der Fans der Rapper, die sie manchmal covern. Wer es jedoch etwas erwachsener und bodenständiger mag, kauft sich ein Feuerzeug mit aufreizendem Aufdruck: zur Auswahl stehen drei Motive: Nina, Lotta und Johann oberkörperfrei – so, das sagt Nina, wollen sie auch herausfinden wer am beliebtesten beim Publikum ist: bisher war das ja Johann- aber kein Wunder: seine selbstbewusste Stimme und die coole Brille in Kombination mit einem Groupieschmelzendem Lächeln verzaubert jeden.
Ernst seien sie schon sehr früh geworden, sie würden schnell altern: wer jedoch ihre Facebook und Instagram Accounts kennt, sieht eher das Gegenteil, und auch das sympathische drei Fragezeichen Tattoo auf Ninas Arm deutet auf ihr inneres (und äußeres) Kind. Was sehr schön zum Kontrast mit ihren doch teilweise ernsten Texten steht. In einem Interview sagt Nina: „Die Songs handeln meistens über Liebe und die traurigen Seiten, die ein Mädchen so hat.“, fünf selbstgeschriebene Songs haben sie bis jetzt, vorher haben sie nur Cover gespielt.
Eine junge Band, die sich entwickelt: zum Positiven. Durch meinen Herkunftsvorteil Chemnitz hatte ich die Chance, ihre Anfänge mit zu erleben. Am Anfang noch mit kritischen Auge und „das hält sich nicht lange“ -Gerede, überzeugte mich der Abend vor allem durch ihre bunte Performance und ihr Umgang mit den Instrumenten. Lotta rappt besser als Nicki Minaj und Nina hat eine Stimme, die man wiedererkennt, das Schlagzeug rockt, Johann spielt nice Riffs. Was ich mir ein bisschen gefehlt hat: coole Solos, Schlagzeug, Bass, da geht noch was. Sehr schön auch die Abwechslung auf der Bühne: Mal spielt Johann, der blinde Beethoven, Keyboard, dann Bass, Nina kann auch mal am Keyboard stehen, oder Lotta kommt hinter dem Schlagzeug hervor und rappt Eminem, während Nina versucht mit dem Publikum ABBA zu singen. Man kann sich die drei auch gut bei SingStar vorstellen. Ganz schön wird es mit den sweeten Tanzperformances oder Ninas „in die Musik kommen“, individuell und lek.
Beim Dienstagssalon ist es üblich, wie der Name schon andeutet, dass das Publikum sitzt. Es gab also eine hübsche Bestuhlung mit den „bunten Sesselchen“ HELLERAUs, die jedoch nicht ausreichte, weshalb mit gewöhnlichen Stühlen, die bei Veranstaltungen im großen Saal genutzt werden, nachgeholfen wurde. Das hat die Atmosphäre nicht gestört; Nina schlägt vor, während der Lieder Reise nach Jerusalem zu spielen: leider ist es dazu nicht gekommen, dennoch wippte jeder mit dem Fuß oder mit dem Kopf im Takt der Songs, man konnte sich vorstellen, wie bei ihnen die Tanztürchen im Kopf aufgingen.
Tanztürchen, so kann man es nennen, wenn man sich vorstellt zu tanzen: zu der Musik von BLOND male ich mir aus, wie ich mein Leben umkrempele und die Sachen meines Ex-Freundes aus dem Fenster schmeiße oder Zigaretten rauchend mit dem Fahrrad durch die Stadt fahre. Und dabei habe ich weder einen Ex Freund noch rauche ich.
Drei Mal verbeugen sich die geladenen Gäste auf der Bühne, bevor sie sie mit einem Danke an alle diese verlassen. Max Rademann verabschiedet sich und seine Zahnschmerzen wurden hoffentlich durch die Musik etwas gelindert. Freunde und auch ein Familienmitglied reisen mit den jungen Musikern. Das Familienmitglied ist übrigens NICHT von der Band Kraftwerk. Und sowieso, wer hat behauptet, Kraftklub sei mit ihnen verwandt?!
*Lek ist übrigens auch die albanische Währungseinheit : 135,3 Lek sind zur Zeit 1€
Musik: Geschmackssache, zwischen ernsten Indie-Rock und Karaoke HipHop und etwas Humor jedenfalls eine gute Show
Format: Dienstagssalon ist eine gemütliche und gebende Veranstaltung, sehr gut geeignet für den wöchentlichen Kulturritualkatalog