Im Rahmen der Workshopreihe #nextpress von HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste erhielten journalistisch interessierte Jugendliche Einblicke hinter die Kulissen von BANDSTAND im Februar 2021. Unter professioneller Anleitung des Journalisten Rico Stehfest wurden die Werkzeuge der Pressearbeit erprobt und eigene Artikel zum virtuellen Musikfestival verfasst.
Die 90er, was war das für eine wunderbare Zeit. Ich erinnere mich noch, wie ich einst auf dem Schulhof mit Freund:innen über den neuen Linkin Park Song sprach und mir partout der Titel nicht einfallen wollte. Die Rede ist von „In the End“. „Ich hab ein übelst cooles Lied gehört, mit dem Video mit nem Turm und nem fliegenden Wal!“ Jeder wusste sofort, worum es geht.
Letztendlich brachte die Beliebtheit musikalischer Fernsehformate meiner Generation unter anderem den Beinamen „MTV Generation“ ein. Doch wie steht es heute um die teils fantastischen, teils extravaganten, fast immer aber künstlerisch wertvollen Kurzfilme?
Den Grundstein für heutige Musikvideoproduktionen legten bereits die Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden „Sound Slides“, illustrierte Musikstücke, welche in amerikanischen Theatern aufgeführt wurden.
Die Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 und weitere Erfindungen zum simultanen Aufzeichnen von Bild und Ton ebneten den Musikvideos schließlich ihren Weg. Mit dem Aufkommen des Fernsehapparates in den 1960er Jahren hielten auch künstlerische Inszenierungen von Musikaufführungen Einzug in unsere Wohnzimmer. 1981 gegründet, strahlte MTV zunächst in den USA und 10 Jahre später auch in Deutschland täglich Sendungen rund um Musik und aktuelle Hits aus. VIVA hatte 1993 sein Debüt in der Fernsehprogrammlandschaft des deutschsprachigen Raums. In der zweiten Hälfte der 2000er gewann schließlich das Internet mit Plattformen wie YouTube oder MyVideo immer mehr an Bedeutung, was schließlich das Aus für VIVA hieß. MTV erweiterte sein Programmspektrum und konnte sich somit bis heute halten.
Musik und damit einhergehend auch Musikvideos sind jedoch weiterhin wichtiger Bestandteil des Sendeplans und gerade im Internet so präsent wie nie. Die Möglichkeiten, welche heutige Technik bietet, ein Musikstück zu verbildlichen, erscheinen schier grenzenlos. Ebenso vielfältig wie die Musik selbst sind die Videos, welche neben dem reinen Zweck, den Interpreten und seine Musik zu vermarkten, eine eigene Form der Kunst darstellen. Sieht man sich einmal die verschiedenen Clips über alle Genres hinweg an, wird klar, es gibt nichts, was es nicht gibt. Man findet Videos, welche modernen Hollywoodproduktionen in nichts nachstehen und teils ebenso aufwendig produziert sind. Dann gibt es Videoporträts, die gepaart mit der Musik der Selbstinszenierung dienen. Einige der Filme haben etwas Komödiantisches und zaubern uns ungewollt ein Lächeln auf die Lippen. Wiederum andere Videos sind so künstlerisch und abstrakt wie die Werke von Joseph Beuys oder Andy Warhol. Umgekehrt hingegen bietet ein Musikvideo auch die Möglichkeit, zum Beispiel gesellschaftliche Themen zu abstrahieren oder zu adaptieren. Solch komplexe Thematiken können dann sehr einfach, vor allem aber eindringlich einem breiten Publikum nähergebracht werden. Weiterhin können die Clips auch einen bestimmten Lifestyle vermitteln. Sieht man sich beispielsweise Videos bekannter Rapper an, wird schnell klar, wer hier der Boss ist und die „fette Kohle“ macht. Egal ob Lifestyle, politische oder gesellschaftliche Themen oder Ästhetik, immer gilt, Film und Ton harmonieren auf einer bestimmten Ebene und fusionieren so zu einem Gesamtkunstwerk.
Dass der Fantasie dabei keine Grenzen gesetzt sind, zeigt uns das BANDSTAND HELLERAU. Dort wurde am 12. und 13. Februar dieses Jahrs bewiesen, welches bisher ungenutzte Potenzial in Musiksendungen à la VIVA und MTV steckt, wenn man diese mit den Möglichkeiten sozialer Medien kombiniert. Aufgrund der Pandemie herrscht ein Verbot öffentlicher Veranstaltung, weshalb das BANDSTAND in seiner üblichen Form nicht stattfinden konnte. So wurde aus einem Musikfestival kurzerhand ein Musikfilmfestival samt Livechat, durch dessen Programm uns die Moderatorinnen Diana Ezerex und Joana Tischkau führten. Eine Reihe junger und innovativer Bands und Musiker:innen aus ganz Sachsen konnten so dennoch mit ihrer Musik begeistern. Eine grandiose Idee, die sich vielleicht auch andere Veranstaltungen zum Vorbild nehmen und uns als Zuschauer:innen auf eine baldige Rückkehr zur Normalität hoffen lässt. Musikvideos sind keineswegs auf dem absteigenden Ast, doch unterliegen auch sie dem Wandel der Zeit.
Die einzige Konstante ist und bleibt die Veränderung. Das beinhaltet sowohl die Art der Darstellung als auch Ort der Veröffentlichung und die Art, wie wir solche Werke konsumieren. Das war schon immer so und wird auch weiterhin so bleiben.
Autor: Florian Wagner
Veröffentlichung: Elisa Kneisel und Eleanor Müller
entstanden im Rahmen von Bandstand 2021
Foto: Kate Rosed (Band: Good Posture)