Einblicke in die Tänzerwelt und deren Choreografien
Stille und Schwärze im Großen Saal. Musik erklingt, ein Scheinwerfer beleuchtet für einen kurzen Moment eine Person. Danach wieder Schwärze.
So beginnt die Choreografie des jungen Choreografen Sam, welcher Tänzer in der Dresden Frankfurt Dance Company ist.
Das Programm ist anders. Es ist etwas Besonderes, vor allem für die Tänzer. Denn dieses Mal stammen die Choreografien, welche sie auf die Bühne bringen, nicht von dem Direktor der Company, Jacopo Godani, sondern von ihnen selbst.
5 der 18 Tänzer der Company können somit eine riesige Erfahrung machen und sich sowohl als Tänzer, als auch als Choreografen weiterentwickeln. Denn sie kümmern sich nicht „nur“ um die Entstehung der Choreografie, sondern auch um die perfekte Ausführung durch ihre Kollegen, sowie Musik, Licht, Kostüme, Make-up und tanzen teilweise sogar selbst in dem Stück.
Den Start des Programmes macht das Stück von Sam Young-Wright, welches von Anne Jung getanzt wird und den Namen „Carnegie Solo“ trägt. Es ist eine Erwiderung auf das Solo-Konzert des Pianisten Keith Jarrett. Die spontane Improvisation des Künstlers inspirierte Sam, verschiedene physische Zustände des Menschen zu untersuchen und dem Publikum so einen Einblick in seine Psyche zu verschaffen.
Danach folgt ein von Michael Ostenrath choreografierter Tanz. Er heißt „Haus“ und wird von fünf anderen Tänzern der Company ausgeführt. Micha schafft in diesem Stück die Zuordnung des Menschen in Kategorien, wie zum Beispiel die Geschlechtszugehörigkeit, ab und lässt eine völlige Freiheit existieren, ohne Meinungen und Urteile.
Die dritte Performance namens „Ectomorphs“ stammt von Vincenzo De Rosa, welches er als Duett mit Joel Small vorführt. Es untersucht die tiefsten Ebenen von Körper und Geist und wendet sich schon fast dem Tierischen zu.
Die Choreografen der beiden letzten Stücke habe ich interviewt:
Leo tanzt seit seinem 11. Lebensjahr an der staatlichen Ballettschule in Berlin. Seine Mutter hatte ein Tanzstudio und war Lehrerin. Somit ist er mit dem Tanz aufgewachsen. Eine richtige Leidenschaft entwickelte sich jedoch erst, als er 16 war. Denn seine Klasse wurde internationaler, seine Leistungen mussten steigen und er begann, die Tanzwelt zu verstehen und zu lieben. Nun tanzt er seit 4 Jahren in der Company von Godani.
Anne war, bis sie 17 Jahre alt wurde, im deutschen Nationalteam der Rhythmischen Sportgymnastik. Während ihres BWL Studiums begann sie nebenbei im Ballettstudio zu trainieren. Eine Lehrerin ermunterte sie, mehr aus ihrem Talent zu machen. Die beiden trainierten täglich, so dass Anne die Aufnahmeprüfung an die Hochschule bestand. Im Januar 2017 wurde sie Mitglied der Company.
Die Dresden Frankfurt Dance Company setzt sich unter der Leitung von Jacopo Godani als Ziel, den zeitgenössischen Tanz voranzutreiben.
Das Training beginnt täglich 10:30 Uhr mit dem klassischen Ballett. Es ist wichtig für die Tänzer, diese Basis zu haben, um dann im zeitgenössischen Stil so viel wie möglich experimentieren zu können und dadurch tolle Choreografien entstehen zu lassen.
Von 12 bis 18 Uhr probt die Company ihre Vorstellungen in ihren Studios in Frankfurt. Es gibt 4 große Werke pro Jahr. Jedes wird in Frankfurt und Hellerau aufgeführt, wodurch Hellerau wie eine zweite Heimat für die Tänzer ist. Zwischendurch ist die Company auf Tournee. Die Tänzer waren zum Beispiel schon in Barcelona, Moskau und Belgrad.
Als ich die Tänzer fragte, was bisher ihr größtes Erfolgserlebnis war, erzählte mir Leo, dass er eine Weile gebraucht hat um die Idee Jacopos zu verstehen. Nach einem Jahr hat er sich dann richtig in der Company eingefunden und Jacopo begann, ihm sein Vertrauen zu schenken. Nun darf er Tänze im Namen seiner Company auf die Bühne bringen, was für ihn eine große Ehre ist.
Leos bzw. das Stück von David Leonidas Thiel nennt sich „Orbit“ und es sind 5 Tänzer integriert. Der Tanz basiert auf der mystischen Lehre von Zahlen, nämlich der Numerologie. Denn unser mathematisches Zahlensystem wurde nicht erfunden, sondern in der Natur gefunden. Die wichtigsten Zahlen sind 1 und 9. Vor allem im Kreis spielt die 9 eine große Rolle. Davon inspiriert entwickelte Leo die Bewegungen, die Aufstellungen und die Lichteffekte für seinen Tanz.
Für Anne Jung ist das größte Erfolgsgefühl der Applaus. Diesen bekam sie für ihr Stück
„threewithfour“ auf jeden Fall. Es ist ein Quartett, welches in zwei Duette unterteilt und vom Tango inspiriert ist. Anne geht es bei diesem Tanz vor allem darum, die Zweisamkeit eines Paares darzustellen und den Zuschauern einen Einblick in den Tanzsaal zu verschaffen. Die beiden Paare durchleben verschiedene Gefühlssituationen einer Beziehung und tanzen sehr intim.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Premiere des Werkes „Junge Choreograf*innen“ eine sehr gelungene Aufführung war und definitiv weiterzuempfehlen ist. Die Tänzer, die Kostüme, Musik und Licht waren sehr überzeugend und hätte man nicht gewusst, dass die Choreografien nicht von professionellen Choreografen stammen, wäre es überhaupt nicht aufgefallen. Als Zuschauer muss man sich einfach mal für eine Stunde komplett fallen und die Bewegungen auf sich wirken lassen. Denn zeitgenössischer Tanz kann oft entfremdend wirken und gleichzeitig ein ganz besonderes Gefühl in einem hervorrufen, welches man so noch nicht kannte. Meiner Meinung nach war es etwas schade, dass am Ende nicht noch einmal alle Tänzer und Tänzerinnen auf die Bühne gekommen sind, sondern nur die Choreograf*innen. Alles in allem hat mir die Vorstellung jedoch sehr gut gefallen.